Bayerische Geschichten 15/2022: Wundersame Tierwelt

Liebe Leserin, lieber Leser,

beinahe die gesamte Besetzung der Arche Noah ist in „Katsch Kodl. Tiermärchen aus Bayern“ versammelt – vom Zaunkönig bis zum Adler, vom Wieserl bis zum Stier, vom Mistkäfer bis zum Raben. Sie alle zeigen sich in den von Franz Xaver von Schönwerth gesammelten Märchen einzigartig und stolz, manchmal verletzbar, oft hilfreich und in magischen Fähigkeiten bewandert. Kraftvoll, rau und urtümlich ist der Ton der teils uralten Geschichten, durch die ein Hauch der Allgewalt unserer Natur weht – genau das macht ihren besonderen Reiz aus.

Kröten haben einen widersprüchlichen Ruf: Einerseits heißt es, sie würden über Mensch und Tier wachen, andererseits sollen sie dem Teufel angehören (alle Illustrationen stammen von der Künstlerin Barbara Stefan).

Auch Tiere wie die Kröte, die als hässlich und unansehnlich verrufen ist, haben in Schönwerths Erzählungen einen überraschenden Auftritt. So ist es auch in „Jodl rutsch mir nach“ eine Kröte, die das Schicksal zweier ungleicher Brüder bestimmt. Den Streit um den väterlichen Hof soll ein Wettstreit entscheiden, dem der unerfahrene Jodl hilflos gegenüberstände, träfe er nicht auf eine kluge Kröte. Mit ihrer Hilfe gewinnt er gegen seinen verblüfften Bruder, der die Niederlage nicht hinnehmen will. Doch auch aus diesem Dilemma findet sich dank der mächtigen Kröte ein Ausweg und ein wahrlich märchenhaftes Ende.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Wer meinen Kopf isst, der wird jede Nacht unter seinem Kissen einen Beutel Gold finden. Wer mein Herz isst, soll König vom ganzen Lande werden.“

Die Unergründlichkeit eines wundersamen Tieres zeigt sich auch in „Der Wundervogel und die beiden Bettelknaben“. Nicht nur einer Familie verschafft hier der Vogel mit dem glockenhellen Gesang und gar ungewöhnlichen Eiern einen plötzlichen Geldsegen. Auch den beiden unbekümmerten Bettelknaben verhilft er in ihrer misslichen Lage zu so viel mehr, als sie zu begreifen imstande sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Fuchs zeichnet sich in den Märchen oft durch seine Intelligenz aus.

Zum Abschluss und als kleinen Vorgeschmack hier noch Schönwerths kurze und humorvolle Variante einer Fabel von Fuchs und Storch:
Der Storch flog vom Kirchturme herab, wo er sein Nest hatte. Der Fuchs wollte es ihm nachmachen, stieg hinauf, fiel aber beim Herunterfliegen ziemlich unsanft zu Boden. Da sagte er: „Das Fliegen war ja ganz schön, aber das Niedersitzen war etwas beschwerlich.“