Bayerische Geschichten 13/2023: Als der Glaube München entzweite

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Protestant Johann Balthasar Michel zieht zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach München, um sich hier mit einer Weinwirtschaft einen Namen zu machen. Seine Pläne werden jäh durchkreuzt, als ihm der Magistrat der streng katholischen Stadt das Bürgerrecht verweigert. Michel ist sich dennoch sicher: Er will bleiben und für seine Zukunft in München kämpfen, hat er sich doch in die katholische Wirtstochter Katharina verliebt. Seinen Widersachern ist jedoch jedes Mittel recht, sogar der Einsatz von Gift … Bhavya Heubisch erzählt in ihrem historischen Roman „Das bittere Gift der Zwietracht“ die faszinierende Geschichte des Johann Balthasar Michel, dem es gelang, als erster Protestant das Bürgerrecht der Stadt München zu erhalten.

Leseprobe:

„Habt Ihr die polizeiliche Genehmigung für Euren Aufenthalt?“
Michel zog sie aus der Innentasche seiner Joppe und schob das Papier dem Magistratsrat hin. Gmeiner musterte es eingehend. „Scheint alles in Ordnung zu sein. Passt auf, dass Ihr die Frist nicht überschreitet. Beruf?“
„Weinhändler. In der Rosengasse möcht ich die Weingaststätte vom Rasp übernehmen. Den Preis für die Weingastgebergerechtigkeit haben wir schon ausgehandelt.“
Der Magistratsrat nickte aufgeräumt. „Bin selber in der Zunft der Weinwirte und habe eine Weinwirtschaft am Rindermarkt.“ Freundlich lächelte er Michel an. „Wenn Ihr die Wirtschaft vom Rasp übernehmt, dann sind wir fast Nachbarn. Gott sei Dank wollt Ihr nicht noch eine Bierschänke aufmachen. Gibt schon über hundertsechzig in der Stadt. Seit der Aufhebung vom Bierzwang kommen immer mehr dazu. Die Sauferei stürzt die Leut noch ins Verderben. Religion?“
„Protestantisch.“
Mit offenem Mund starrte ihn der Gmeiner an. Die Tinte tropfte vom Federkiel, hinterließ einen dicken Batzen auf dem Papier. „Was seid Ihr?“
„Wie meint Ihr das?“
„Was für eine Religion Ihr habt, hab ich gefragt.“
„Ich habe es schon gesagt. Protestant bin ich.“
„Raus!“
Verdutzt stand Michel auf. „Und mein Bürger …?“
„Raus!“
„Aber …“
„Weißt denn nicht“, schrie Gmeiner, „dass in der Stadt kein Lutherischer wohnen darf?“
Verwirrt strich Michel sich über die Stirn. „Warum denn nicht? In Augsburg dürfen sie’s doch auch.“
„Aber jetzt bist in München. Seit über vierhundert Jahr hat hier kein Akatholik das Bürgerrecht gekriegt. Und jetzt schau, dass du weiterkommst.“
So rüde wollte Michel sich nicht abfertigen lassen. „Gibt es nicht doch eine Ausnahme? Ich könnte für alle Unkosten aufkommen. Und für alle sonstigen Ausgaben auch.“
„Geld! Geld!“, fauchte der Gmeiner und schlug mit der Faust auf einen Folianten. „Meinst vielleicht, damit kannst alles regeln? Für Protestanten gibt’s bei uns kein Bürgerrecht. Kannst ja nach Augsburg gehn. Da gibt’s von solchenen wie dir mehr wie genug. Und jetzt raus.“
An der Tür drehte sich Michel noch einmal um. „Mein Bürgerrecht werde ich bekommen, ob es Euch passt oder nicht.“