Bayerische Geschichte(n), 1/2017: „Mir san net von Pasing, mir san net von Loam …“

Liebe Leserin, lieber Leser,

Innenhof mit Schlosskapelle Blutenburg. Aufnahme ca. 1950
Innenhof mit Schlosskapelle Blutenburg. Aufnahme ca. 1950

„… mir san halt im lustigen Menzing dahoam!“, heißt es im Refrain des Menzinger Lieds. Und weiter: „Mir san no a halbs Dorf und scho halbert a Stadt.“ Aus diesen Zeilen spricht nicht nur ein großer Stolz der Ober- und Untermenzinger auf ihre Heimat, es zeigt auch wie viel Wert hier auf Eigenständigkeit, Individualität und die Bewahrung einer gewissen ländlichen Lebenskunst gelegt wird. Dieses Selbstbewusstsein fußt, wie bei vielen der später nach München eingemeindeten Orte, auf einer langen, teils aufsehenerregenden Geschichte, die der heutigen Großstadt München um einiges voraus ist. Im Falle Obermenzings kreist diese reiche Historie vor allem um Schloss Blutenburg, das erstmals als „Blytenburg“ 1425 urkundlich erwähnt wird. Die Anlage, damals bestehend aus Haupt- und Vorburg samt Torturm, wurde von den Wittelsbacher Herzögen hoch geschätzt, vor allem wegen ihrer Nähe zum Jagdrevier beim Dachauer Moos und dem Fischreichtum der nahen Würm. Um das Jahr 1434 weilte auch der spätere Herzog Albrecht lll. auf der Blutenburg – sein Interesse galt allerdings nicht der Jagd, sondern einer besonderen Herzensdame …

Ansicht des Schlosses Blutenburg. Wandmalerei von Hans Donauer d. Ä. im Antiquarium der Münchner Residenz, um 1590
Ansicht des Schlosses Blutenburg. Wandmalerei von Hans Donauer d. Ä. im Antiquarium der Münchner Residenz, um 1590

Und diese Dame schrieb Geschichte: Im Jahr 1428 lernte Albrecht in Augsburg eine gewisse Agnes Bernauer kennen und lieben. Auf die heimliche Vermählung folgte 1433 der Kauf zweier Güter in Untermenzing, die Agnes Bernauer als Lehen von Albrechts Vater, Herzog Ernst von Bayern-München, erwarb. Man kann wohl annehmen, dass das Paar die kommenden Jahre einige Zeit gemeinsam auf und in der nahen Umgebung der Blutenburg verbrachte. Nun verstieß diese Verbindung nicht nur skandalös gegen alle Regeln des Standes, die Herzogssohn Albrecht zu beachten hatte – sie gefährdete auch die Erbfolge des herzoglichen Hauses. Ernst von Bayern-München sah sich zum Eingreifen gezwungen und ließ die Bernauerin 1435 in Straubing und in Abwesenheit des nichtsahnenden Albrechts gefangen nehmen und am 12. Oktober hinrichten: So nahm das Leben der Agnes Bernauer in den Fluten der Donau sein gewaltsames Ende.

Maria Dolores Gilbert alias Lola Montez wurde aufgrund ihrer wehrhaften Peitschenhiebe als „Frau mit der Peitsche“ bekannt. Lithografie eines unbekannten Künstlers von 1846.
Maria Dolores Gilbert alias Lola Montez wurde aufgrund ihrer wehrhaften Peitschenhiebe als „Frau mit der Peitsche“ bekannt. Lithografie eines unbekannten Künstlers von 1846.

Eine weitere bekannte Dame mischte mehr als 400 Jahre später erneut die Blutenburg auf, wenn auch nur für eine Nacht: Lola Montez, die Geliebte von König Ludwig l. Als Tänzerin war die gebürtige Schottin in die Residenzstadt München gekommen, wo sich der Monarch in Maria Dolores Gilbert, so ihr eigentlicher Name, verguckte, sie mit finanziellen Zuwendungen überschüttete und 1847 sogar zur Gräfin von Landsfeld erhob. Das Volk war über die königliche Affäre alles andere als erfreut, es kam zu Unruhen, Tumulten, Studentenkrawallen. Während Lola Montez um ihr Leben fürchten musste, geriet die Herrschaft Ludwigs I. ernsthaft ins Wanken. Unter dem Druck seiner Bürger, Reichsräte und der eigenen Familie musste Ludwig seiner Favoritin schließlich die Anweisung geben, München binnen einer Stunde zu verlassen. Montez‘ eilige Flucht führte sie am 11. Februar 1848 ins Schloss Blutenburg. Man kann vermuten, dass die Menzinger heilfroh waren, als ihr skandalbehafteter Gast bereits am nächsten Morgen vom Pasinger Bahnhof aus endgültig ins Exil aufbrach.

 

In „Obermenzing – Zeitreise ins alte München“ beleuchtet Susanne Herleth-Krentz die reiche Geschichte des Stadtteils Obermenzing, beginnend mit den Anfängen der Gemeinde, über das Mittelalter bis hin zur Eingemeindung in die Stadt München. Den umfangreichen Bildteil des Buchs schmücken zum Großteil bislang unveröffentlichte historische Aufnahmen des Münchner Stadtarchivs – eine Einladung an den Leser, dem vergangenen Obermenzing nachzuspüren.