Bayerische Geschichte(n), 11/2014: Von katholischen Sozialdemokraten

Buchpräsentation Kirche und SPD
Zur Vorstellung des Buchs „Kirche und SPD“ hatte Herausgeber Franz Maget in den Lesesaal des Bayerischen Landtags gebeten.

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist Georg von Vollmar, dem ersten Vorsitzenden der bayerischen SPD, zu verdanken, dass im Königreich Bayern der Prinzregentenzeit ein vergleichsweise mildes Klima zwischen Kirche und SPD herrschte. Georg von Vollmar, der 1850 in Miesbach geboren wurde, war selbst Katholik und vertrat die Ansicht, dass Religion kein Thema der politischen Auseinandersetzung sein sollte, sondern die private Angelegenheit jedes Einzelnen. Sein Name steht für den „bayerischen Sozialismus“ und für die bayerische Sozialdemokratie, die in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg eine reformorientierte Volkspartei war.

Buchpräsentation Kirche und SPD
V.l.n.r.: Markus Rinderspacher, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, Dieter Breit, Beauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für Landtag und Staatsregierung, Franz Maget, Herausgeber, Dr. Lorenz Wolf, Leiter des Katholischen Büros in Bayern, und Michael Volk, Verleger.

Bereits 1891, in seinen berühmten Reden im Münchner Bierkeller „Eldorado“, hatte sich Vollmar für Verhandlungen ausgesprochen, um auf der Grundlage der gegebenen Staats- und Gesellschaftsordnung Verbesserungen wirtschaftlicher und sozialer Art herbeizuführen. „Christentum und Sozialismus stehen sich gegenüber wie Feuer und Wasser“, hatte August Bebel 1874 – scheinbar ein für alle Mal – verkündet. Im ausgehenden 19. Jahrhundert aber erlebte München geradezu eine Bevölkerungsexplosion: Jedes Jahr zogen 20.000 bis 30.000 arbeitssuchende Menschen vom Land in die Stadt, eine deutliche Überlappung des katholischen und des Arbeitermilieus war die unweigerliche Folge. Mit einem katholischen Bevölkerungsanteil von 80 Prozent war München schon damals eine sozialdemokratische Stadt – der „katholische Sozialdemokrat“ war hier geradezu die Regel.

Hermann Rumschöttel und Hans-Jochen Vogel
Hermann Rumschöttel (hier neben Hans-Jochen Vogel) schildert im Buch „Kirche und SPD“ den historischen Weg der Annäherung zwischen Arbeiterbewegung und Kirche in Bayern.

Für die bayerische Sozialdemokratie, die auf die religiösen Gefühle der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen wusste, war das zweifelsohne eine Chance. Im München der ausgehenden Prinzregentenzeit gab es bereits grenzüberschreitende Begegnungen zwischen Kirche und SPD: Insbesondere bei der sozialen Fürsorge und bei der Sozialpolitik gab es schon damals Gemeinsamkeiten – auf dem Gebiet der Schulpolitik freilich sollten die Fronten noch viele Jahrzehnte lang verhärtet bleiben.

Zum Katholikentag in Regensburg erscheint das von Franz Maget herausgegebene Buch „Kirche und SPD. Von Gegnerschaft zu Gemeinsamkeiten“. Mit Aufsätzen von führenden Repräsentanten beider christlicher Kirchen wie Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof Ludwig Schick und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wie auch von sozialdemokratischen Politikern wie Hans-Jochen Vogel, Wolfgang Thierse, Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles zeigt es nicht nur die Veränderungen in den beiderseitigen Beziehungen auf, sondern ist selbst ein lebendiger Beitrag zur weiteren Vertiefung und Annäherung.