Bayerische Geschichte(n), 10/2017: Von diebischen Katzen, tanzenden Geißböcken und heiligen Hostien
Liebe Leserin, lieber Leser,
jede Region Bayerns hat ihre eigenen Sagen und Legenden. Der Steigerwald ist da keine Ausnahme und so manche mystische, sagenhafte Begebenheit soll sich in seinen malerischen Städtchen und Dörfern zugetragen haben, so auch in Neustadt an der Aisch: Im Jahr 1461 wurde die Stadt von den Truppen des Herzogs Ludwig von Bayern belagert und die Vorräte wurden knapp. Als auch der letzte Geißbock sein Leben lassen musste, sah sich die Bevölkerung schon so gut wie geschlagen, wäre da nicht ein gerissener Schneider auf eine Idee gekommen: Er ließ sich in das Fell des zuletzt geschlachteten Tiers einnähen, kletterte auf die Stadtmauern und vollführte meckernd wahre Bocksprünge. Die Belagerer beobachteten verdrossen das seltsame Spektakel und kamen zu der Überzeugung, dass in der eingeschlossenen Stadt niemand Hunger leide, wenn selbst die Geißböcke auf den Mauern herumtanzten. Frustriert brachen sie ihre Zelte ab und verschwanden.
Ebenfalls eine Legende aus kriegerischen Zeiten erzählt man sich in der Ortschaft Geiselwind: Zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs stand der schwedische General Murrmann kurz davor, die Stadt zu erobern. Die ersten verheerenden Schüsse waren bereits gefallen, als die verängstigten Bürger Vertreter schickten, um mit dem Feind zu verhandeln. Murrmann empfing die Gesandten beim gemütlichen Mahl, soeben im Begriff eine Wurst zu verzehren. Trotz eindringlicher Bitten bestand er auf der bedingungslosen Kapitulation Geiselwinds: „So wahr ich diese Wurst in meinen Händen halte, komme ich hinein“, waren seine Worte – als plötzlich eine Katze die Bühne des Geschehens betrat, die Wurst aus seiner Hand schnappte und verschwand. Nach ihrer Rückkehr berichteten die Unterhändler vom unnachgiebigen General und seiner Wurst. Die Bürger Geiselwinds deuteten den merkwürdigen Vorfall als gutes Omen, fühlten sich in ihrem Widerstand bestärkt und konnten schließlich sogar die Angreifer in die Flucht schlagen.
Die Marktgemeinde Burgwindheim wartet mit einem regelrechten Wunder auf: Im Jahr 1465, als die Fronleichnamsprozession gerade an ihrer dritten Station angelangt war und der örtliche Pater die Monstranz auf dem Altartisch aufstellen wollte, fiel diese ohne jeden äußeren Einfluss um. Die heilige Hostie ließ sich zum Schrecken des Geistlichen nicht mehr vom Boden aufheben. Ein Holzverschlag musste augenblicklich zum Schutz der Hostie errichtet werden, während der Pater zum Kloster Ebrach eilte, um dem dortigen Abt vom Hostienwunder zu berichten. Acht Tage später gelang es Abt Burkard II. Scheel, der sich mit Gebeten und Fasten auf diesen Anlass vorbereitet hatte, den Leib Christi wieder vom Boden zu lösen. Erste Gläubige besuchten in der Folge Burgwindheim, ein kleiner Strom von Pilgern stellte sich ein und schließlich wurde die Kapelle „Zum Hl. Blut“ erbaut, um dem Wunder zu gedenken. Heutige Besucher finden in unmittelbarer Nähe der Kapelle auch die „Blutsquelle“, deren Wasser man Heil- und Wunderkräfte nachsagt.
Wer Ruhe und Natur zu schätzen weiß und dem Massentourismus gerne aus dem Weg geht, der ist im Steigerwald am richtigen Ort. Der aus der Region stammende Autor Werner Rosenzweig kennt die Gegend wie seine eigene Westentasche und lädt dazu ein, die idyllischen Landschaften, die reiche Kultur und die immer wieder beeindruckende Geschichte seiner Heimat zu entdecken. Umfangreiches Bildmaterial, darunter zahlreiche Luftbildaufnahmen, zeigen den „Unbekannten Steigerwald“ in all seinen Facetten.