Bayerische Geschichten 10/2025: Ein Münchner Unternehmen im Nationalsozialismus

Liebe Leserinnen und Leser,

das Wäschehaus „Rosner & Seidl“ zählte bis zu seiner Schließung 1988 zu den bedeutenden Einzelhandelsgeschäften in München. Generationen von Münchnern kauften in den Verkaufsräumen in der Diener- und Burgstraße ihre Bett-, Tisch- und Leibwäsche. 1992 übergab Ruth Rosner, seit 1967 Alleininhaberin, dem Bayerischen Wirt-schaftsarchiv die historischen Geschäftsunterlagen des Unternehmens. Fünf Jahre später vertraute sie dem Archiv zudem die noch erhaltene Privatkorrespondenz der Familie an. Dieser weitreichenden Entscheidung ist es zu verdanken, dass Ina Deppe, Michael Kamp und Lukas Wollscheid nun die Geschichte des mittelständischen Familienunternehmens in der Zeit des Nationalsozialismus umfassend erforschen konnten.

Fassade der Geschäftsräume in der Dienerstraße 21, 1914 (alle Fotos: Bayerisches Wirtschaftsarchiv)

Die Ursprünge des Unternehmens „Rosner & Seidl“ gehen auf das Jahr 1873 zurück, als der Straubinger Friedrich Rosner gemeinsam mit seinem Freund Mathias Seidl in München eine „Kaufmännische Handelsagentur“ gründete. Nachdem 1876 Mathias‘ Bruder Emil Seidl am Marienplatz 12 ein Wäschegeschäft eröffnete, arbeiteten die drei Freunde eng zusammen.1878 wurden Ladenräume in der Dienerstraße 21 angemietet und das Unternehmen firmierte von nun an unter dem Namen „Elsässer Weisswaaren- und Leinenmagazin. Rosner & Seidl“. Zehn Jahre später ermöglichte die Heirat Friedrich Rosners mit der aus einer wohlhabenden Buchdrucker- und Verlegerfamilie stammenden Frida Bardtenschlager sogar den Erwerb der stattlichen Immobilie in bester Münchner Innenstadtlage.

Verkaufsraum des Wäschehauses „Rosner & Seidl“ mit Mitarbeiterinnen und Kundschaft, ca. 1910

Nach dem Ausstieg Emil Seidls in den 1880er Jahren und dem Tod Mathias Seidls im Jahr 1901 war Friedrich Rosner der alleinige Inhaber von „Rosner & Seidl“. 1903 wurde er zum „Kgl. Hoflieferanten“, 1914 zum Kommerzienrat ernannt – der Aufstieg der Familie in der Münchner Gesellschaft ging Hand in Hand mit den geschäftlichen Erfolgen. Während der 1920er Jahre geriet das Unternehmen jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, die zum Teil der wirtschaftlichen Gesamtsituation, zum Teil aber auch dem Tod Friedrich Rosners im Jahr 1925 geschuldet waren. Der Umbruch an der Unternehmensspitze – der erstgeborene Sohn Edmund übernahm die Leitung der Geschäfte – hatte wohl negative Auswirkungen. Zu Beginn der 1930er Jahre stand das Wäschehaus kurz vor dem Konkurs.

Werbung von „Rosner & Seidl“ mit dem Zusatz „Deutsches Geschäft“, nach 1933

Während Edmund Rosner seinen Eintritt in die NSDAP im September 1932 später im Entnazifizierungsverfahren mit der schlechten wirtschaftlichen Situation erklärte, war die Verbindung seiner Frau Anni zum Nationalsozialismus weit persönlicherer Natur. Die junge Frau hatte vor ihrer Ehe mit Rosner mit dem inzwischen verstorbenen rechtsextremen Publizisten Dietrich Eckart, einem Mentor und Förderer Hitlers, zusammengelebt und war von diesem sogar als Universalerbin eingesetzt worden.  Auch wenn der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens nach 1933 auch auf die allgemeine konjunkturelle Erholung zurückging, trugen die Kontakte in die NS-Führungselite, die Anni Rosner während ihrer Zeit mit Eckart knüpfen konnte, sicher dazu bei. So war die junge Frau sogar mehrmals bei Adolf Hitler auf dem Obersalzberg zu Besuch.