Bayerische Geschichte(n), 08/2013: Der Aff, der Nebel, der Brand und der Saurausch

Eine „Baierische Maas“ aus dem Jahr 1809 – sie fasste 1.069 Kubikzentimeter, im Gegensatz zum preußischen Liter mit nur 1.000 Kubikzentimetern.
Eine „Baierische Maas“ aus dem Jahr 1809 – sie fasste 1.069 Kubikzentimeter, im Gegensatz zum preußischen Liter mit nur 1.000 Kubikzentimetern.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Inuit haben mehrere Wörter für Schnee. Verständlich, da er doch in ihrer Kultur die zentrale Rolle spielt. Die Bayern haben nicht weniger als 35 Bezeichnungen für den Rausch, gemeint ist: der bierselige, alkoholbedingte Zustand der Trunkenheit. Im 19. Jahrhundert zählte der aus Niederbayern stammende Volkskundler Joseph Schlicht allein 26 Wörter für den Rausch, geordnet nach der Intensität: Der „Spitzl“ sei die leichteste, also auch billigste Art von Rausch, der „Saurausch“ mit 30 Mass Bier der verhängnisvollste.

.

Schottische Studenten um 1844: die vermutlich erste fotografische Aufnahme des Biergenusses.
Schottische Studenten um 1844: die vermutlich erste fotografische Aufnahme des Biergenusses.

Zwischen diesen beiden Extremen rangieren die harmloseren Varianten des „Affs“, des „Nebels“ oder des „Tampes“ (anderswo auch „Dampf“) über den g’standnen „Suff“ bis hin zum denkwürdigen „Ordonanzrausch“. Möglich, dass wir eine solche Fülle an Bezeichnungen schon seit Jahrhunderten kennen, schließlich ist das Bier beinahe so alt wie die Menschheit selbst. Doch früher konnte man seinem Rausch nicht immer sicher sein: Bierpanscher und Verwässerer waren am Werk.

Hier wird nicht gepanscht! Historisches Bierbrauen im Freilandmuseum Bad Windsheim
Hier wird nicht gepanscht! Historisches Bierbrauen im Freilandmuseum Bad Windsheim

Die Cervisia, das Bier der Römer, war nach modernen Maßstäben ein solches gepanschtes Gebräu: Obergärig und ohne Hopfen hergestellt, oftmals mit Honig, Gewürzen und Kräutern zur „Qualitätsverbesserung“ versetzt, würde es heutigen Bierkennern wohl kaum munden. Nach 1516, nach dem Erlass des Reinheitsgebots, konnte man sich im Großen und Ganzen der Güte des Gerstensafts sicherer sein. Wer dennoch panschte, lief Gefahr, nach seinem Tod als ruheloses Gespenst auf der schaurigen Burg Stockenfels zu enden. Und dann kamen ein paar Unverbesserliche zu Anfang des letzten Jahrhunderts auf die Idee, das Bier mit „Kracherl“, also Limonade, zu strecken. Welch Frevel!

.

Schwester Doris aus dem Mallersdorfer Kloster ist die einzige Ordensschwester, die zugleich Braumeisterin ist.
Schwester Doris aus dem Mallersdorfer Kloster ist die einzige Ordensschwester, die zugleich Braumeisterin ist.

Heutzutage geht es gar noch wilder zu. Bier gibt es jetzt schon in Pralinenform, als Schweinsbratensoßenzutat und „gestachelt“. Und doch ist es eines geblieben: das beliebteste Getränk der Bayern, auf dessen Genuss – wer hätte es gedacht – hin und wieder ein kleiner „Suri“ folgt…

Gerald Huber und sein Autorenteam gehen in ihrem „Bier“-Buch Ungewöhnlichem, Wissenswertem und Neuartigem rund um das goldene Getränk nach. Ihr oberstes Ziel: „Bayern genießen“.

.