Bayerische Geschichte(n) 08/12: Unterwegs im Paralleluniversum

Der Autor beim Boazn-Testen in Giesing.

Liebe Leserin, lieber Leser,

morgens, auf dem Weg in die Schule, radelte Maximilian Bildhauer an den Giesinger Boazn und Stüberln vorbei: „Da lagen die Leute bewusstlos davor“, erinnert er sich. Es waren Bilder, die der heute 25-Jährige nicht mehr aus dem Kopf gekriegt hat. Ein paar Jahre später hat er dann seine Schulfreunde aus Grünwald und Harlaching in die düstere Schattenwelt der Giesinger Kneipenszene geführt. Die Kumpels aus den schnieken Vororten konnten kaum glauben, was sich da für ein Paralleluniversum auftat – mitten in der „Weltstadt mit Herz“, der Kunststadt, der Schickimicki-Stadt.

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Die legendäre Giesinger Heiwoog musste zwischen Recherche und Drucklegung schließen.

Max Bildhauer ist in Untergiesing, einer typischen Münchner Arbeitergegend, aufgewachsen. Er studierte Kommunikationsdesign und ist eigentlich mittlerweile selbst Teil jener kreativen Bohème, die nach und nach die ein wenig heruntergekommenen und noch ursprünglich gebliebenen Stadtviertel für sich entdeckt. Erst kommen die Studenten, die Künstler und die Lebenskünstler, die Musiker, die Designer und die Architekten. Dann die Immobilienmakler, die Bauunternehmer und die Leute mit Geld. Für die kleinen Absturzkneipen ist in den luxussanierten Altbauten kein Platz mehr.

Die 41 Giesinger Boazn finden sich in liebevoll gezeichneten Umgebungsplänen.

Giesing ist das Münchner Viertel, das gerade, so Bildhauer, „von der Gentrifizierung mit ungebremster Wucht getroffen wird.“ Eine nach der anderen machen dort die liebenswürdigen, ein bisschen schäbigen und zuweilen ein wenig verruchten Boazn dicht. Bildhauer sagt, er leide „schon von jeher unter Dokumentationszwang“. Deshalb hat er sich einen Sommer lang auf „Boazn-Tour“ begeben und alle 41 kleinen Kneipen besucht, getestet und fotografiert. Er selbst hat dabei sechs Kilo zugenommen, die Boazn aber haben abgenommen: Auch zwischen Recherche und Drucklegung mussten einige von ihnen schließen. Sie sind in seinem Kneipenführer „Munich Boazn“ mit einem Trauerrand gekennzeichnet. Weitere Trauerbänder zum Selbsteinkleben sind dem skurrilen und liebevoll gestalteten Büchlein beigelegt.