Bayerische Geschichten 06/2023: Für alle Eingeborenen und Zugereisten – Münchnerisch in 160 Seiten
Liebe Leserin, lieber Leser,
das Münchnerische ist weit mehr als ein regionaler Ableger des bairischen Dialekts. Seine zahlreichen faszinierenden, oft amüsanten Eigenheiten und sein unverwechselbarer Klang haben das Interesse an dieser Mundart gerade in den letzten Jahren steigen lassen. Dabei wird das echte Münchnerisch von immer weniger Menschen gesprochen. Alfred Bammesberger, Münchner von Geburt und Sprachwissenschaftler von Beruf, widmet sich dem Dialekt seiner Heimatstadt nach allen Regeln der linguistischen Kunst, den er anhand einer vereinfachten Lautschrift auch ungeübten Mundartsprechern näherbringt. In 12 Kapiteln stellt er die Grammatik des Münchnerischen, dessen Herkunft und sämtliche Besonderheiten vor.
Das hier beschriebene Münchnerisch ist bestimmt nur noch selten anzutreffen. In nicht allzu ferner Zukunft wird es aussterben. Manche Lautungen wie kà:s bleiben nur in Nischen erhalten – red ned so an kàs dahea „rede nicht solchen Schwachsinn!“, im Geschäft kann man wohl nur Käse (gesprochen kεs – kεse) verlangen. Verhältnismäßig konstant ist lewakàs „Leberkäs“. Kàs „Käse“ beruht auf Entlehnung von lateinisch caseus, die mundartliche Form wird aber teilweise durch Käs(e) verdrängt, so heißt es auch meist kεsekuhn „Käsekuchen“ (allenfalls kεsekuaha) und butakεs „Butterkäse“. Dagegen ist in einigen Wendungen kàs stabil: da kàs is gesn „der Käse ist gegessen, die Sache ist erledigt“, kàshàksn „Schweißfüße (wörtlich Käsehaxen)“, pfifkàs „nichts damit!“ (deutliche Ablehnung).
Mit der Schriftsprache vergleichbar ist die Entwicklung des Langvokals ī zum Diphthong ài. Wàitsn „Weizenbier“ hat niemals oa, obwohl der „Weizen“ lautgeschichtlich richtig da woats heißt (althochdeutsch hweizi); bei wàitsn wird wohl auch wàisbia „Weißbier“ mitspielen und wàis hat nicht den Diphthong oa (althochdeutsch hwīz „weiß“). Das bedeutet, dass wir in der Schriftsprache den laut ài antreffen, der durch Zusammenfall von zwei verschiedenen Lauten, nämlich Fortbestand von altem ei und Diphthongierung von ī zu erklären ist: heiß (althochdeutsch ei) und drei (althochdeusch ī). Im Münchnerischen sind die beiden Laute in der Regel getrennt, es heißt tswoa „zwei“ (althochdeutsch zwei), aber drài „drei“ (althochdeutsch drī).
Angleichungen des Münchnerischen an die Schriftsprache werden wohl weiterhin erfolgen, aber zahlreiche Ausdrücke sind und bleiben Sondergut: Glump und Graffl, gesteigert als Hundsglump und Saugraffl, gehören zur Alltagssprache in München. Saperlott und Herrschaftseitn drücken verschiedene Stufen der Überraschung und des Ärgers aus. Lästerliche Flüche wie Sakrament werden abgeschwächt zu Sacklzement, aus Kruzifix kann Kruzinesen werden. Schweinsbratn und Kalbshaxn gehören auf die Speiskartn. Beflamot (nach dem Französischen boeuf à la mode) hat man gern für einen Sauerbraten gesagt und Parablui ist noch oft als Bezeichnung des Regenschirms zu hören. Pfiad di God („behüte dich Gott“) wird sich noch einige Zeit gegenüber „Tschüss“ behaupten können.
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ISBN: 978-3-86222-432-6 €20,00