Bayerische Geschichte(n), 05/2013: Wirtshausstimmung im Bücherlager

In drei zusammengehörigen, aber trotzdem in sich abgeschlossenen Bänden dokumentiert Adolf Eichenseer, hier zusammen mit seiner Frau Erika, eine Liedkultur, sie sonst in keiner Notensammlung erscheint.
In drei zusammengehörigen, aber trotzdem in sich abgeschlossenen Bänden dokumentiert Adolf Eichenseer, hier zusammen mit seiner Frau Erika, eine Liedkultur, sie sonst in keiner Notensammlung erscheint.

Liebe Leserin, lieber Leser,

schon Kurt Tucholsky wusste: „Ein Couplet zu schreiben: das ist eine mühselige und eine ernste Sache. Es ist vielleicht schrullig, über eine so lustige Sache, wie es doch das Couplet (für den Zuhörer) ist – mit gefurchter Stirne zu reden und gar zu sagen, dass auch diese kleine Kunstgattung ihre ganz besondern Gesetze hat, die man mühsam erhorchen und noch mühsamer erlernen muß.“ Das Couplet, so wie es nach 1900 seine große Blüte erlebte, ist ein gesungener Vierzeiler mit je zwei Reimpaaren. Damals waren mehr als 800 hauptamtliche Volkssänger in München gemeldet. Einige von ihnen waren regelrechte Stars. Die subversiv-satirischen und sozialkritischen, manchmal auch derb-erotischen Couplets der Volkssänger sprachen den kleinen Leuten, den Dienstboten und Handwerkern aus den armen Vorstädten aus der Seele.

Andreas Lipperer, Jürgen Kirner, Bianca Bachmann und Bernhard Gruber sind als vielfach ausgezeichnete „Couplet-AG“ eine feste Größe im bayerischen Kabarettgeschehen. Hier mit dem Gastgeber Michael Volk (3. v. li.), dem Volkssänger Alfred Kinskofer (3. v. re.) und dem Herausgeber.
Andreas Lipperer, Jürgen Kirner, Bianca Bachmann und Bernhard Gruber sind als vielfach ausgezeichnete „Couplet-AG“ eine feste Größe im bayerischen Kabarettgeschehen. Hier mit dem Gastgeber Michael Volk (3. v. li.), dem Volkssänger Alfred Kinskofer (3. v. re.) und dem Herausgeber.

Allabendlich waren sie auf den Brettln im Oberpollinger, im Apollo-Theater oder im Alten Simpl zu sehen. Später wurden Karl Valentin und der Weiß Ferdl berühmt. Bally Prell, die „Schönheitskönigin von Schneizlreuth“, und die „Trambahnritzenreinigungsdame“ Ida Schumacher waren ebenso Teil der Münchner Volkssängerkultur wie der Roider Jakl und Emil Vierlinger, mit denen in den 1960er Jahren die Geschichte der wirtshausgemachten Volksverlustbarkeiten zu Ende ging. Aber nicht für immer: Im Jahr 1993 gründete sich in München die „Couplet-Arterhaltungsgesellschaft“, die die Liedform des Couplets mit neuem Leben erfüllt. Ihre zeitgemäß satirisch-bissigen Texte über „A Glaserl Eigenurin“ oder bierbäuchige Männer in Jogginghosen werden ebenso nachgesungen wie die Gassenhauer der Volkssänger von einst.

Bianca Bachmann verlieh einigen Herren im Publikum den „Bayerischen Verdienstorden“, um sie dann mit einem „Glaserl Eigenurin“ von Kahlköpfigkeit und anderen Männerleiden zu heilen.
Bianca Bachmann verlieh einigen Herren im Publikum den „Bayerischen Verdienstorden“, um sie dann mit einem „Glaserl Eigenurin“ von Kahlköpfigkeit und anderen Männerleiden zu heilen.

Jetzt finden sich die schönsten Couplets dieser modernen Volkssängertruppe im dritten Band der von Adolf Eichenseer im Volk Verlag herausgegebenen Sammlung von „gschaamigen und ausgschaamten“ Wirtshausliedern. Auch zum titelgebenden Lied „Alls bloß koa Wasser net“ hat die Couplet-AG einige Strophen beigesteuert. Bei der Buchpräsentation verwandelte sich das Bücherlager des Volk Verlags in ein zünftiges bayerisches Wirtshaus und die Couplet-AG ließ es sich nicht nehmen, mit großer Trommel und Ziach aufzuspielen.