Bayerische Geschichte(n) 05/2012: Schniderhipfel und Sausangel

Erika und Adolf Eichenseer standen bei der Buchpräsentation am 6. Mai 2012 in Loifling gemeinsam auf der Bühne.

Liebe Leserin, lieber Leser,

in Bayern und Österreich heißen sie „Gstanzl“, in manchen Gegenden einfach „Gsangl“ oder „Stückl“, dann wieder „Schnaderhacken“ oder „Stieglhupfa“. Die korrekte hochdeutsche Bezeichnung für das „Schnaderhüpfl“ wäre wohl „Schnatterhüpflein“, aber das würde vermutlich in Bayern – und erst recht in der Oberpfalz – kein Mensch sagen.

Klingt nicht nur schön, sieht auch schön aus.

So wie aus dem italienischen Wort „sposa“ für „Braut“ das bayerische „Gspusi“ wurde, so leitet sich das „Gstanzl“ von „stanza“ ab, das eine Strophe aus acht elfsilbigen Versen bezeichnet. Das liebevoll verkleinerte „Gstanzl“ ist jedoch meist ein Vierzeiler und wird heutzutage besonders gerne zur Unterhaltung von Hochzeitsgesellschaften gesungen. Ursprünglich gehörte es allerdings zur echten Volkskultur, ja, beinahe zur „Subkultur“: Im Wirtshaus oder anderswo diente es zur Kritik an den herrschenden Verhältnissen. So fanden sich die ersten Textsammlungen im 19. Jahrhundert denn auch ausgerechnet in den Verboten und Erlässen der Obrigkeit, von der das Gstanzlsingen wegen seiner aufrührerischen Wirkung kritisch beäugt wurde. „Aber Schniderhipfel, aber Sausangel könnts singen auf d‘ Nacht…“ predigte der Wiesenpater von Ismanning im Jahr 1779, weiß das ehrwürdige Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Gstanzl dienten dem allgemeinen Gaudium und manchmal auch mehr oder weniger offen der Liebeswerbung.

Die Musikanten der Musikkapelle "d‘ Wadlbeißer" spielen in der Wirtschaft der Hofmark Brauerei im Schloss Loifling auf.

Das beinahe in Vergessenheit geratene gegenseitige „Aussingen“ von zwei oder mehreren Gstanzlsängern mit meist improvisierten, oftmals recht deftigen Texten, erlebt gerade – wie überhaupt die Volksmusik und das gemeinsame Singen – fast so etwas wie eine Renaissance. Der ehemalige Oberpfälzer Bezirksheimatpfleger Adolf Eichenseer hat ein Leben lang „gschaamige und ausgschaamte“ Wirtshauslieder gesammelt, die nichts für zart besaitete Gemüter sind. Auch wenn sie von den strengen Volksliedpflegern geflissentlich überhört und übersehen werden, so sind sie doch ebenso Teil des Brauchtums wie die „echte“ Volksmusik, die seit Jahren als solche gesammelt wird. Wirtshauslieder, Couplets, Schnaderhüpfl, Gstanzl und Trinksprüche gehören zur bayerischen Gemütlichkeit wie das Bier und die Brotzeit – und auf dem Heimweg heißt es dann: „Heit war ma wieder kreizfidel!“