Reinjan Mulder: Wer bin ich und wie viele? Ein Multitalent zwischen Strafrecht, Literatur und Kunst

von Ingvild Richardsen

 

Zusammengedrängt auf wenige Zeilen findet sich auf dem Umschlag des Buchs „Schwefelwasser“ eine Zusammenfassung der beruflichen Tätigkeit von Reinjan Mulder, die doch einige Fragen aufwirft. Wie schafft es ein Jurist und Wissenschaftler, gleichzeitig als Journalist, Literaturkritiker, Verleger, Schriftsteller und Künstler zu arbeiten? Im folgenden chronologischen Abriss seien einige Schlaglichter geworfen: auf seine Herkunft, Ausbildung und beruflichen Werdegang sowie auf prägende Geschehnisse, Personen und Jahre.

Reinjan Mulder

Dass der Niederländer Reinjan Mulder 1949 in Geldermalsen, einem Dorf in der Nähe der Kleinstadt Tiel, geboren wurde, hing mit der beruflichen Tätigkeit seines Vaters zusammen, der 1945, unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzungszeit, von der niederländischen Eisenbahn, De Niederlande Spoorwegen (NS), für die er arbeitete, in die Gegend der sogenannten Betuwe versetzt worden war.

Piet Mulder (1919-2001), in Amsterdam geboren, hatte auch in Amsterdam studiert, an der dortigen Technischen Hochschule, und sich dabei auf Bauwerke, den Neubau von Brücken und Häusern spezialisiert. Nachdem er 1942 zuerst eine Stelle als technischer Zeichner bei der niederländischen Eisenbahn im Hauptamt in Utrecht erhalten hatte, wurde er wenig später technischer Inspektor und war fortan mitverantwortlich für die Beaufsichtigung großer Bauwerke, Bahnhöfe, Viadukte und Brücken. Parallel dazu besuchte er in seiner Freizeit die Abendschule an der Kunstakademie in Utrecht. Als während der deutschen Besatzungszeit (1940-1945) auf Befehl der niederländischen Regierung, die sich seit 1940 in London im Exil befand, der gesamte Eisenbahnbetrieb von September 1944 bis Mai 1945 streikte, tauchte Piet Mulder wie 30.000 andere Eisenbahnbeamte unter. Mit dem Lahmlegen des Eisenbahnnetzes wollte die Regierung den Alliierten, die damals schon in Südengland waren, einen schnellen und möglichst widerstandslosen Marsch durch ihr Gebiet ermöglichen.

Nach der Befreiung der Niederlände von der deutschen Besatzung am 5. Mai 1945, zog Mulder in das zwölf km von Tiel entfernte Geldermalsen. Die letzten acht Monate war Tiel Frontgebiet gewesen und nahezu komplett zerstört worden. Mulder wurde hier zunächst mit der Reparatur von Bahnstrecken und Brücken beauftragt, setzte aber parallel zu dieser Arbeit bei der niederländischen Bahn jahrzehntelang auch seine künstlerischen Tätigkeiten fort, zeichnete und malte Gemälde. Tatsächlich ist Piet Mulder den meisten heute als Künstler bekannt, der Hunderte von Porträts und Landschaftsbildern angefertigt hat. Seine große Liebe zur Kunst hat sein Sohn Reinjan schon als kleiner Junge sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen.

Doch nicht nur väterlicherseits wuchs Reinjan Mulder in einer von Kunst, Geschichte und Landschaft geprägten Atmosphäre auf. Hanna Mulder-Hulscher (1922-2013), die ab 1951 in Geldermalsen über 50 Jahre lang eine sehr bekannte Tanzschule führte, was sie zu einer der berühmtesten Frauen in der Gegend der Betuwe machte, hatte auch deutsche Vorfahren. Ihr Großvater, der Diamantenhändler und Kaufmann Albert Canté (1875-1943) – Sohn des Niederländers und Goldschmieds Ferdinand Jacob Canté (1810-1884), der aus Den Bosch nach Pforzheim umgezogen war und hier eine Deutsche, die aus Hanau stammende Mina Ochse (1845-1918), geheiratet hatte –, wurde 1875 in Pforzheim geboren.

Hanna Hulschers Eltern waren überzeugte Sozialisten, modern und freiheitsliebend. Man aß vegetarisch, trank keinen Alkohol und machte FKK-Urlaub. Anfang der 1930er-Jahre zogen die Eltern zusammen mit Hanna und ihren jüngeren Brüdern bei einer Wohngruppe in der Michelangelostraat in Amsterdam-Süd ein. So wuchs Reinjan Mulders Mutter in einer Umgebung mit vielen deutschen Emigranten auf, unter ihnen zahlreiche Juden und Kommunisten, Künstler und Musiker, wurde bald selbst künstlerisch aktiv und pflegte beispielsweise Freundschaften und Kontakte mit der später bekannten Dichterin Hanny Michaelis (1922-2007), der jüdischen Intellektuellen Etty Hillesum (1914-1943) und ihrem jüngeren Bruder und dem Pianisten Mischa Hillesum (1920-1943). 1938/39 besuchte Hanna Hulscher die Neue Kunstschule in Amsterdam, wo sie u.a. bei geflüchteten deutsche Bauhauslehrern, nämlich Helen Ernst (1904-1948) und Paul Citroen (1896-1983), zeichnen lernte. Tanzstunden erhielt sie bei damaligen Berühmtheiten wie Albert Mol (1917-2004), Hanna Goldstein (1908-1999; ab 1933 Chaja Ruchel Goldstein) und Florrie Rodrigo (1893-1996), an der Musikschule ihrer Tante lernte sie Klavierspielen und veranstaltete Tanz- und Musikvorführungen mit Kindern.

1940 lernte Hanna Hulscher ihren späteren Ehemann Piet Mulder beim niederländischen Jugendverband für Naturkunde, einem sozialistisch orientierten Jugendclub, kennen, wo sie während des Kriegs Mitarbeiterin im Vertriebsbüro in Amsterdam wurde. Unmittelbar nach Kriegsende im Mai 1945 heiratete sie Piet Mulder und man zog nach Geldermalsen um; der Übergang vom atheistischen, großstädtischen und künstlerischen Umfeld zur Welt des kleinen christlichen Dorfs war für sie zunächst schwierig.

Angesichts der Atmosphäre in der Reinjan Mulder aufwuchs, erstaunt es kaum, dass er schon als kleiner Junge davon träumte, selbst einmal Künstler zu werden. Doch auch sein Interesse an Deutschland wurde bereits in seiner Kindheit geweckt, dies vor allem durch die Spannungen, die es in Bezug auf Deutschland zwischen seinen Eltern stets gab. Denn während seine Mutter aufgrund ihrer Herkunft und den Kontakten, die sie seit ihrer Kindheit zu vielen deutschen Emigranten hatte, immer großes Interesse und eine positive Einstellung zu Deutschland hatte, lehnte sein Vater aufgrund der Erfahrungen, die er im Zweiten Weltkrieg gemacht hatte, alles Deutsche rundum ab. Er hatte so große Angst vor den Deutschen, dass er sogar noch im Jahr 1976 ein zweites Haus in England kaufte, einen Fluchtpunkt in Harwich, weil er sich nur dort sicher vor ihnen fühlte.

1960 passierten zwei Dinge, die das Leben Reinjan Mulders in neue Bahnen lenkten, ihm neue Erfahrungshorizonte und Perspektiven eröffneten: Zum einen kam er bereits mit elf Jahren auf das Gymnasium in Tiel. Das war seinerzeit für einen Jungen wie ihn aus der Mittelschicht eher untypisch, der Besuch des Gymnasiums war damals etwas Elitäres für Kinder reicher Familien. Aber weil er eine Klasse übersprungen hatte und man große Erwartungen in ihn setzte, machte man hier eine Ausnahme. Die Zwiespältigkeit in Bezug auf Deutschland setzte sich auch im Gymnasium fort, vier Jahre lang hatte Reinjan Deutschunterricht, in dem ihm u.a. vermittelt wurde, dass sich in Deutschland Bestes und Schlimmstes vereinten.

Die zweite Besonderheit des Jahres 1960 war ein außergewöhnliches Geschenk von seinem Onkel Eeuwoud Hulscher: Der Elfjährige erhielt den Schreibtisch des ersten Nobelpreisträgers für Chemie, des Niederländers Jacobus Henricus van ´t Hoff (1852–1911), den dieser „als Anerkennung des außerordentlichen Verdienstes, den er sich durch die Entdeckung der Gesetze der chemischen Dynamik und des osmotischen Druckes in Lösungen erworben hat“. Mitgeschwungen haben mag da unausgesprochen der Auftrag: Nun werde auch du ein van ´t Hoff. Wie sehr dieses Geschenk Reinjan geprägt, wie sehr ihn die Person van ´t Hoffs tatsächlich verfolgt hat, würde erst Jahrzehnte später zum Ausdruck kommen.

1966 folgte das einschneidende Jahr, auf das Mulders Werk Zwavelwater zurückgeht: Mit 17 Jahren legte er nicht nur mit Auszeichnung erfolgreich das Abitur ab, sondern reiste auch zum ersten Mal in seinem Leben nach Deutschland. Seine Schulkameradin Reinet van Haeften, die Urenkelin von Adriaan Stoop, lud zehn Klassenkameraden für eine Woche zum Sommerurlaub nach Deutschland ein, nach Bad Wiessee, ins Ferienhaus ihrer Familie: Haus Jungbrunnen. Mulders Vater hatte Vorbehalte gegen diese Reise und Deutschland im Allgemeinen. Auch Reinjan selbst war von der Sicht vieler Niederländer auf Deutschland als Ort des Schreckens und Heimat des Bösen nicht ganz unbeeinflusst – während seine Mutter über die Einladung ihres Sohns in den Kreis der reichen und bekannten Familie van Haeften stolz war.

Die Urlaubstage in Bad Wiessee und das Erlebnis der dortigen Bergwelt veränderten Reinjan Mulders Bild von Deutschland nachhaltig. Ja, tatsächlich wurde dieser erste Aufenthalt zum Beginn seiner Liebe zu Deutschland.

Den Schulabschluss in der Tasche, auch mit 17 Jahren noch immer vom Wunsch beseelt, Künstler zu werden, und überzeugt, ein Philosophiestudium wäre diesem Ziel dienlich, begann Reinjan noch im Sommer 1966 an der Universität Amsterdam mit dem Studium dieses Fachs. Bereits ein Jahr später brach er es wieder ab. Er fand die universitäre Philosophie zu theoretisch, zu wenig an den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen interessiert.

Mit dem Argument, mit Kunst könne man kein Geld verdienen, riet ihm sein Vater, Jura zu studieren, womit man doch schließlich alles werden könne. Und so wechselte Mulder im Sommer 1967 ins Jura-Studium. Er hatte festgestellt, dass dieses Fach im Gegensatz zu Philosophie sehr wohl alle neuen gesellschaftlichen Entwicklungen berücksichtigte: Wie damals in ganz Europa gab es in den 1960ern-Jahren auch in den Niederlanden immense Gesetzesveränderungen, speziell im Strafrecht und in der Kriminologie, veranlasst durch Hausbesetzungen, politische Verbrechen, Diskussionen über Pornografie, Pressefreiheit und Klassenunterschiede. Mulder, den all diese Geschehnisse faszinierten, spezialisierte sich auf Strafrecht und Psychiatrie.

1969 trat er in den Studentenverein für Strafrecht ein, der in diesem Jahr eine vom DAAD finanzierte einwöchige Reise nach Deutschland unternahm. Mulders zweite Reise nach Deutschland. In Begleitung von Professor Enschede, Professor für Strafrecht an der Universität Amsterdam, und seinem späteren Nachfolger Frits Rüter, einem Spezialisten für NS-Verbrechen sowie DDR-Justiz, besuchten die Studenten Münster, West- und Ost-Berlin. Tatsächlich durften die holländischen Studenten, die sich damals alle mit der Frage beschäftigen, wie man es wohl in der DDR mit dem Strafrecht halte, in Ost-Berlin einige Stunden an einem Strafrechtsverfahren teilnehmen. Fasziniert protokollierte Mulder alles. Die Eindrücke waren so stark, dass er, kaum zurückgekehrt nach Amsterdam, einen Artikel für die progressive Wochenzeitung De Groene Amsterdammer schrieb, in dem er berichtete, was er in der DDR gesehen und erlebt hatte. Der 19-Jährige stellte in ihm auch die Frage, wer eigentlich wann und warum in einer Gesellschaft als „Verbrecher“ gebrandmarkt werde. Doch nicht nur die DDR, auch die BRD beschäftigte ihn. Insbesondere die Frankfurter Schule hatte es Mulder angetan. Er las u.a. Texte von Adorno, Horkheimer und Habermas.

1973 hatte Mulder sein Jura-Diplom in der Tasche, trug nun den Titel „MR. Diplomierter Jurist“. Doch er stellte fest, dass er nicht als Anwalt arbeiten wollte. Viel lieber wollte er Wissenschaftler sein, sich mit Kriminologie und Sozialwesen beschäftigen. Prof. Dr. Jacob (Koos) van Weringh machte ihm den Vorschlag, doch in diesem Bereich zu promovieren, und bot ihm eine Doktoranden-Assistentenstelle am „Kriminologischen Institut Bonger“ der Universität Amsterdam an. Das Strafrecht der DDR, dessen Methodologie – das war es, was Mulder besonders spannend fand. Auch ein Vergleich der Rechtswissenschaften in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systemen interessierte ihn. Mulder nahm die Doktorandenstelle bei Prof. van Weringh 1975 an. Mit Weringh reiste er 1977 auch nach Berlin. Fasziniert verfolgte Mulder, was sich damals politisch in Deutschland alles ereignete: RAF, Berufsverbote, Demonstrationen, Lesungen von Dichtern und Politikern. In Amsterdam besuchte er eine Lesung von Rudi Dutschke.

1980 promovierte er, lieferte eine Doktorarbeit ab, die den Titel „Verbrechen und Macht“ trug und in der er das Strafrechtssystem der DDR und die juristische Nachkriegsgeschichte der DDR untersucht hatte.

Das alles klingt nach einer erfolgreichen juristischen Karriere, so wie sich das Mulders Vater für seinen Sohn gewünscht hatte. Doch parallel dazu hatte Reinjan ein zweites Leben geführt, eines, das im Dienste der Literatur und der Kunst stand. In einem Punkt nämlich hatte sich sein Vater geirrt: Sein erstes Geld hatte Mulder nicht mit der Juristerei, sondern mit der Kunst, mit der Literatur, mit Artikeln verdient, die er für bekannte Zeitschriften und Zeitungen geschrieben hatte.

1970, mit 20 Jahren, hatte Mulder als Dichter an literarischen Wettbewerben der Tageszeitungen NRC Handelsblad und De Gids teilgenommen – und zwei Jahre später war er als Redakteur der Zeitung Propria Cures, einer legendären literarischen Studentenzeitung tätig. Nomen est omen: Das lateinische „propria cures“ bedeutet nämlich so viel wie: Kümmere dich um deine eigenen Dinge, oder auch im übertragenen Sinn: Kümmere dich um dich selbst, kümmere dich um die Dinge, die dir zu eigen sind. Und genau dies hatte Mulder im Sinn gehabt, als er auch an diese Zeitung ein Gedicht geschickt hatte. Es wurde veröffentlicht, erhielt einen Preis und man fragte ihn, ob er Lust habe, Redakteur der Zeitung zu werden.

Er, seine Tätigkeit und seine Artikel über Literatur und Politik blieben in der Szene nicht unbeobachtet. Als er nach Abschluss seines Studiums und nach zweieinhalb Jahren Redaktion die Studentenzeitschrift verließ, wurde er sofort von der renommierten Zeitung NRC Handelsblatt engagiert. Neben seiner Doktoranden-Assistentenstelle schrieb Mulder von 1975 an – und bis 1983 – Artikel über Literatur.

Doch der Paralleltätigkeiten nicht genug: Abgesehen von der Literatur war Mulder seit 1970 auch noch andere künstlerische Wege gegangen. Er hatte einen erfolgreichen Abstecher in die Kunst unternommen, der, wie sich in späteren Jahren zeigen sollte, von visionärer Voraussicht und Nachhaltigkeit geprägt war. 1971 hatte es seitens der Amsterdamer Stadtregierung eine Ausschreibung im Bereich der Fotografie gegeben. Mulder hatte ein Konzept für das von ihm anvisierte Projekt Objectief Nederland eingereicht. Auch wenn das Gremium sein Projekt für gut befand, wurde es doch abgelehnt, weil er kein „richtiger“ Berufs-Fotograf war. 1973 kam er bei einer ähnlichen Ausschreibung in Den Haag zum Zug: Das Ministerium für Kultur, Freizeit und Sozialarbeit verlangte ein „künstlerisches Experiment“, auf das das leicht abgewandelte Konzept Mulders perfekt passte : Er wollte im Lauf eines Jahres eine objektive Realität der Niederlande einfangen, ungefärbt von Traditionen, Zugänglichkeit und Schönheitsidealen, nicht von persönlichen Vorlieben dominiert oder durch Kategorien wie „wichtig“ oder „schön“ deformiert – ein „zufälliger“ Blick sollte es sein. Tatsächlich erhielt Mulder diesen Kunstauftrag vom Ministerium auch deswegen, weil die Künstler und Kunsthistoriker, die damals das Jawort für sein Projekt erteilten, seinen Namen aus der Studentenzeitschrift Propria Cure kannten. Das Fotoexperiment, das Mulder unternahm, bestand darin, dass er ein grob gewebtes Gitter auf eine Karte der Niederlande legte und sich danach auf den Weg machte, um die 52 sich so ergebenden Kreuzungen zu fotografieren. Das Resultat waren 208 Bilder, die zusammen das Fotoprojekt Objectief Nederland bildeten, das der Konzeptkunst zuzurechnen war.

1979 war Mulder 30 Jahre alt. Seine vierjährige Doktorandenstelle an der juristischen Fakultät in Amsterdam war dabei auszulaufen, seine Doktorarbeit nahezu fertiggestellt, als NRC Handelsblatt anfragte, ob er festangestellter Redakteur für Literatur und Kunst werden wollte. Ein Traum ging in Erfüllung, Mulder nahm an. Nun konnte er sich voll auf das konzentrieren, was er sowieso am liebsten tat, nämlich über Kunst und Literatur lesen, nachdenken und schreiben. Bis 1983 arbeitete er in der Kunstredaktion als Schlussredakteur, schrieb und redigierte Artikel, machte Titelschlagzeilen, suchte Bilder und Illustrationen aus, gab Interviews und Fototermine mit Künstlern und Zeichnern in Auftrag oder erledigte sie gleich selber. Des Weiteren war er verantwortlich für die Schlussredaktion des Feuilletons. Die ganze Redaktion war damals sehr deutschfreundlich, mehr kontinental als atlantisch orientiert. Mulder besaß ein Abonnement der deutschen Wochenzeitung Die Zeit und die Redaktion verfolgte sehr interessiert das Geschehen im deutschen Kino (Fassbinder), Theater (Peyman) und in der bildenden Kunst (Kiefer, Beuys).

In dieser Zeit lernte Mulder das Multitalent und den Ausnahmekünstler Armando (1929-2018) persönlich kennen, arbeitete von 1980 bis 1983 als sein Redakteur auch eng mit ihm zusammen. Der Niederländer Armando (eigentlich Herman Dirk van Dodeweerd) war schon lange als Maler und Schriftsteller bekannt, als er im Sommer 1980 von der DAAD eingeladen wurde, ein Jahr (oder länger) nach Berlin zu kommen. Die Kunstredaktion von NRC entschloss sich, Armando zu fragen, ob er nicht Lust hätte, eine zweiwöchentliche Kolumne „Armando in Berlin” für sie zu schreiben. Fünf Jahre lang schickte der Künstler seine Kolumne über Berlin in die Niederlande zu Mulder – sie wurde schnell sehr berühmt. Die enge Zusammenarbeit und die Auseinandersetzung mit Armando in jenen Jahren sind mit ein Grund dafür, dass Mulder in Schwefelwasser mit dem von Armando geschaffenen Konzept der „Schuldigen Landschaft“ operiert.

1983 erhielt Mulder das Angebot, für einige Jahre eine Stelle am Sociaal en Cultureel Planbureau (SCP) in der Nähe von Den Haag einzunehmen, also am Nationalen Planungsstab für Rechtswissenschaft. Mulder, der sich weiterhin für Fragen von Verbrechen und Macht, für persönliche Schuld und Verantwortung in Extremsituationen interessierte, nahm die Stelle am SCP an. Das bis heute bestehende einflussreiche Institut leistete damals Pionierarbeit. Hier wurde analysiert und dokumentiert, was sich in der niederländischen Gesellschaft in den Bereichen Gesundheit, Sozialhilfe, Erziehung, Armut, Religion und Arbeit alles veränderte. Und hier am SCP war Mulder nun einige Jahre verantwortlich für den Bereich des Rechts und des Rechtssystems mit allem, was dazugehörte: Kriminalität, Täter und Opfer, Rechtshilfe und Polizei. Jedes Jahr gab das SCP einen Bericht über die Lage der Nation heraus, für den Mulder fortan das Kapitel über die Justiz schrieb. Er publizierte in jener Zeit auch zwei wissenschaftliche Bücher über die Tätigkeiten der Polizei sowie über die Sorge und Verantwortlichkeit für die Opfer der Kriminalität.  

Zu sehen ist, dass Mulder längst Übung darin hatte, ein Leben zu führen, das zwischen zwei Polen hin und her pendelte. Nach sechs Jahren Rechtswissenschaft am SCP waren 1989 dann wieder Kunst und Literatur dran. NRC Handelsblatt plante eine sechs Seiten umfassende Wochenbeilage für Literatur und wollte Mulder für den Posten des zuständigen Redakteurs. Natürlich nahm er das Angebot an. Jahrelang beschäftigte er sich nur noch mit Literatur und Schriftstellern, wählte Bücher und ihre Rezensenten aus, schrieb Kritiken und Nekrologe und führte Mengen an Interviews mit der in- und ausländischen Literaturszene. Damals überstürzten sich die Ereignisse in Mitteleuropa: Die Mauer fiel, die Tschechoslowakei, Ungarn, Polen und die Sovjetunion befreiten sich. Für einige Jahre war auch Mulders Interesse stark nach Osten ausgerichtet. Regelmäßig reiste er nach Berlin, aber auch an andere Orte in Deutschland, wo er für NRC Reportagen erstellte, Schriftsteller und Dichter interviewte und über sie schrieb. Er besuchte auch jedes Jahr die Frankfurter und die Leipziger Buchmesse. Nach 1989 bevorzugte er Letztere als weitaus offeneren und politischeren Diskussionsraum gegenüber der Messe im kommerziellen Frankfurt. In Leipzig sprach Mulder mit Schriftstellern wie Günter Grass, Edgar Hilsenrath, Stephan Hermelin, Peter Handke, Hertha Müller oder Christa Wolf und ihrem Mann, wobei es ihm zum Vorteil gereichte, dass er sich sehr gut mit Osteuropa auskannte und gut Deutsch sprach – das konnte damals nicht jeder niederländische Journalist.

Überhaupt lernte Mulder während seiner Zeit als Literaturredakteur bei NRC Handelsblad viele Koryphäen kennen, darunter Martin Walser, Pat Barker, Esther Freud, Claudio Magris, Edna O’Brien, Anna Enquist, Conny Palmen, Graham Swift, Elke Erb, Joachim Satorius, Tomek Tryzna, Antjie Krog, Tessa de Loo, Ryszard Kapuczinski und Czeslaw Milosz – viele von ihnen verdanken ihm den damals hohen Bekanntheitsgrad ihrer Bücher.

Seit 1995 stand Mulder auch mit dem deutschen Schriftsteller W.G. Sebald in Briefwechsel, interviewte ihn mehrmals für NRC Handelsblad, besuchte ihn in seinem Haus in Köln und später in Poringland in England. Schon früh verließ der aus Wertach in Bayern stammende deutsche Literaturprofessor seine verhasste Heimat, um ein neues Leben in England aufzubauen. Sebald sah und suchte – ähnlich wie Armando – nach Spuren der Geschichte, des Zweiten Weltkriegs, in der Landschaft und schrieb darüber, auf welch vielfältige Weise dies alles noch immer eine Rolle für die Gegenwart spiele. Tatsächlich waren es der Künstler Armando und der deutsche Schriftsteller W.G. Sebald, die Mulder, seit er ihre Werke und sie persönlich kennengelernt und sich mit ihnen auseinandergesetzt hatte, immens in seinem eigenen Schaffen als Künstler und Schriftsteller beeinflusst und bei der Konzeption seines Buchs Schwefelwasser inspiriert haben.

Mulder in einem Amsterdamer Café

1996 kam Mulder zufällig ein Buch über Adriaan Stoop unter, der als Pionier der Erdölindustrie schwerreich und durch das von ihm erbaute Jodschwefelbad in Bad Wiessee berühmt geworden war. Dieses Buch, das eine Nachfahrin Stoops veröffentlicht hatte, Henriëtte van Voorst Vader-Duyckinck Sander, rief in ihm die Erinnerung an die 1996 in Bad Wiessee verbrachte Sommerwoche wach. Was er als Jugendlicher damals erlebt hatte, ging ihm nun nicht mehr aus dem Kopf. Damals begann er, sich auf Spurensuche zu begeben und in Archiven zu recherchieren.

Als NRC Handelsblad 1997 einen neuen Chef bekam und nicht nur die sechsseitige Literatur-Wochenbeilage abgeschafft, sondern auch der Bereich für Literatur mit dem für Sachbücher zusammengelegt wurde, hielt Mulder seinen neuen Posten als Verantwortlicher der Meinungsseite (Kunst, Literatur und Wissenschaft) nicht länger als ein Jahr aus. Doch das Schicksal wollte es, dass das Pendel noch weiter in Richtung Literatur ausschlug: Am 1. März 1998 wurde er Verleger bei De Geuss. Dieser politisch linksliberal ausgerichtete Verlag galt als progressiv, alternativ, feministisch, schwul und postkolonial. Publiziert wurde u.a. afrikanische und schwarz-amerikanische Literatur, Werke der ‚Dritten Welt‘, aus Indonesien, Surinam und Literatur, die von Migranten aus aller Welt (Gastarbeiter, Asylanten) stammte, aus der Türkei, Marokko oder dem Iran. Später kamen Bücher aus skandinavischen Ländern hinzu. Mulder war bei De Geuss zwar für niederländische Literatur und Sachbücher zuständig, durfte aber auch andere Manuskripte und Lizenzen einkaufen, beispielsweise Bücher von Martin Walser für die Übersetzung ins Niederländische, darunter auch Springender Brunnen über die Kriegszeit am Bodensee.

In Schwefelwasser erwähnt Mulder, dass er in früheren Zeiten immer mit einem Freund in Schliersee beim Wandern war, erzählt, dass gerade auch durch diese gemeinsamen Wanderungen in den Bergen seine große Liebe zu Deutschland gewachsen und erhalten geblieben sei. Dieser Freund war Arnon Grunberg, der heute international so berühmte niederländische Schriftsteller, mit dem Mulder als Verleger bei de Geuss eng zusammenarbeitete und der ihm sehr viel über Deutschland erzählte: Grunbergs Mutter war auf dem Schiff St. Louis gewesen, das 1939 mit Hunderten Juden an Bord von Hamburg nach Kuba abgefahren, aber von dort wieder zurück nach Europa geschickt worden war, weil die Kubaner (und später die Argentinier und die US-Amerikaner) keine deutschen jüdischen Flüchtlinge aufnehmen wollten. So war sie ungewollt nach Amsterdam gekommen.

In seinem Buch Sterker dan de waarheid: de geschiedenis van Marek van der Jagt (2002) hat Grunberg über die gemeinsamen Bergwanderungen und Arbeitssitzungen mit Reinjan Mulder Folgendes festgehalten: Im November 1999 fahre ich über München nach Schliersee, in den bayerischen Bergen. Eine Schlüsselszene in Amour fou (De geschiedenis van mijn kaalheid) soll sich nämlich dort abspielen. (…) Schliersee kenne ich aus meiner Jugend, als wir vier Wochen am nahegelegenen Tegernsee verbrachten. Meine Eltern hatten damals hysterisches Heimweh nach dem deutschen Mittelgebirge, und das habe ich jetzt auch. Wenn ich einen deutschen Berg sehe, stoße ich einen Freudenschrei aus. (…) Auch Reinjan Mulder kommt nach Schliersee. (…) Ich bringe eine Freundin mit (…). Sie findet es zwar ein bisschen seltsam, dass auch Mulder in Schliersee auftaucht, doch ich erkläre ihr, dass ich schon seit Jahren mit Mulder in den deutschen Bergen wandern gehe, und sie gibt sich mit dieser Erklärung zufrieden (…). Im Februar 2000 ist Amour fou fertig. Anfang April wird Phantomschmerz in den Niederlanden präsentiert. Davor reise ich über Spanien nach Schliersee, um dort, gemeinsam mit Reinjan Mulder, das Manuskript von Amour fou durchzugehen.“

Tatsächlich machte Mulder mit Grunberg mehrere Bücher, die bei de Geuss alle unter dem Pseudonym „Marek van der Jagt“, dessen (fiktive) Identität Grunberg gemeinsam mit Mulder von 1998 bis 2000 entwickelte. Es erschienen ab dem Jahr 2000 neben dem höchst erfolgreichen Roman De geschiedenis van mijn kaalheid (2002 von Diogenes unter dem Titel Amour Fou auf Deutsch publiziert) noch verschiedene kleinere Bücher, Novellen, Essays, Sammelbände. 2008 folgte der 800 Seiten umfassende Sammelband Ik ging van hand tot hand. Er enthielt alles, was von Arnon Grunberg bisher unter Marek van der Jagt erschienen war, Romane, Artikel, Briefe und Essays – editiert und eingeleitet von Reinjan Mulder.

2003 verließ Mulder de Geuss, wechselte als Literaturredakteur zum Verlag Meulenhoff. 2006, Mulder war damals 58 Jahre alt, übernahmen zwei junge Verleger. Ab 2008 arbeitete er für den Verlag Lebowski und erneut für de Geuss (als Freelancer), machte für Letzteren auch Sammelbände. Nach dem Motto „Auf zu neuen Ufern“ gründete er im selben Jahr zusammen mit seinem Sohn und dem Schriftsteller Thomas Heerma van Voss (*1990) den Verlag Babel&Voss; Heerma van Voss, der im Februar 2020 zuletzt den Roman Condities veröffentlicht hat, zählt heute zu den bekanntesten jungen niederländischen Autoren. 2014 veröffentlichte er über Babel&Voss ein kleines, ebenso amüsantes wie eindrückliches Buch über die Gründung des Verlags, das so erfolgreich war, dass es 2019 unter dem Titel Unsichtbare Bücher auch in einem deutschen Verlag herauskam.

2011 erwarb das Reichsmuseum in Amsterdam Mulders konzeptuelles Fotokunstwerk Objectief Nederland, dass er 1974 fertiggestellt hatte – eine bemerkenswerte Anerkennung und ein einschneidendes Erlebnis, hinter dem sich folgende Geschichte verbirgt: Als Mulder 2010 erfuhr, dass Arnon Grunberg sein großes und kostbares Archiv der Bijzondere Collecties (BC) geschenkt hatte, einer Unterabteilung der jahrhundertealten Universitätsbibliothek Amsterdam (jetzt zusammengelegt mit dem Allard Pierson Museum), sichtete Mulder seinen eigenen Besitz von Hunderten an Faxen und E-mails von Grunberg, Manuskripten, Fotos und frühen Versionen einiger seiner Romane samt der Änderungen seines damaligen Verlegers Mulder. Weil solche Dinge für Literaturwissenschaftler wichtig sind, fragte er bei Bijzondere Collecties nach, ob sie nicht auch sein Grunberg-Archiv als Geschenk wollten. Sie wollten, kamen ein, zwei Tage später zu Mulder in die Wohnung – und bemühten sich gleich um sein gesamtes persönliches Archiv, wollten tatsächlich ein Reinjan Mulder-Archiv in ihre Kollektion aufnehmen. Wenige Wochen später entdeckte der Konservator von BC in Mulders Privatarchiv eine alte große Dose mit Briefen, Texten und Fotografien aus dem Jahr 1974 und wollte wissen, was das sei. Mulder sprach von einem alten Hobby, das nicht gelungen sei, weil er damals kein Museum, Kunsthaus, auch keinen Buchverlag gefunden habe, der es zeigen wollte. Der Konservator bestand darauf, alles genau zu sichten, und hätte das alte Kunstprojekt sofort für die BC genommen. Mulder lachte und meinte, wenn er das wirklich interessant fände, wäre es vielleicht besser, es ins Reichsmuseum in Amsterdam zu geben, da dies doch für die Präsentation von Kunst und Geschichte gebaut und dementsprechend eingerichtet worden sei.

In Absprache mit dem Konservator der BC schrieb er noch am gleichen Tag eine entsprechende E-mail ans Reichsmuseum. Einen Tag später kamen bereits zwei Konservatoren vom Reichsmuseum, die alles sofort und unbedingt sehen wollten – für die Aufnahme ins Museum fehlte nur noch die Zustimmung des Direktors Wim Pijbes und seiner Kollegen. 2011 teilte das Reichsmuseum Mulder mit, dass sie sein Kunst-Fotoprojekt Objectief Nederland, die 208 Bilder, die Dokumentation, alle Karten und die Korrespondenz (taxierter Gesamtwert damals: 10.000 Euro) sehr gern als Schenkung annehmen würden und nach einer Möglichkeit suchten, es bald im Museum zu zeigen.

Die Dinge entwickelten sich anschließend wie folgt: Die Bijzondere Collecties erhielt 2011 Mulders persönliches Archiv (taxierter Gesamtwert: 34.000 Euro) als Schenkung, das Reichsmuseum in Amsterdam alles, was mit Objectief Nederland zusammenhing. Mulders aus dem Jahr 1974 stammendes Fotokunstwerk wurde von Juni bis September 2016 in den Räumen des Reichsmuseums der Öffentlichkeit präsentiert. Das Museum zählte mehr als 20.000 Besucher, die Hälfte davon Ausländer. Mulder gab Lesungen, Führungen und Interviews und verkaufte Hunderte von Katalogen.

Lange waren Mulder und andere enttäuscht gewesen, dass seine Ideen aus den 1970er-Jahren nicht geschätzt und öffentlich präsentiert worden waren. Nahezu 40 Jahre später war sein einst vom Kultusministerium in Auftrag gegebenes experimentelles Fotokunstwerk also doch noch zu seinem Recht gekommen. Darüber hinaus regte Berno Strootman, ein Regierungsadvisor, der die Ausstellung besichtigte an, alle damals von Mulder fotografierten Orte 2017 erneut durch Cleo Wächter abbilden zu lassen, eine Künstlerin, die mit ihren 25 Jahren ebenso alt war, wie es Mulder 1974 gewesen war. 

2011 war noch in anderer Hinsicht bemerkenswert: Es war das Jahr, in dem Mulder das Buch Coffee Company schrieb, einen Roman über Jacobus Henricus van ’t Hoff, den ersten Nobelpreisträger der Chemie, dessen Person ihn geprägt hatte, seit er mit elf Jahren dessen Schreibtisch als ein Geschenk erhalten hatte. Nachdem Mulder über 50 Jahre selbst an diesem Schreibtisch gearbeitet hatte, hatte er sich 2008/09 entschlossen, das wertvolle Stück dem bedeutenden Wissenschaftsmuseum Museum Boerhaave in Leiden zu schenken. Tatsächlich war er dann sehr erstaunt zu hören, dass das Museum bereits im Besitz eines Schreibtischs des Nobelpreisträgers war: Es war das Möbelstück, das van ’t Hoff als Berliner Geschenk erhalten hatte, als er 1896 einem Ruf an die Preußische Akademie der Wissenschaften gefolgt war. So verblieb denn van ’t Hoffs erster Schreibtisch bei Mulder, seine Person ließ ihn nicht los.

Ebenso wie eine zweite niederländische Persönlichkeit, die eng mit seiner Jugendzeit verknüpft war: Mulder beschloss noch im gleichen Jahr, sich auf die Spuren von Adriaan Stoop und seinem Jodschwefelbad in Deutschland zu machen. Beide wiesen Ähnlichkeiten auf: Van ’t Hoff wurde 1852 geboren, Stoop 1856. Beide galten als Pioniere der exakten Wissenschaft am Ende der 19. Jahrhunderts, als Exponenten der neuen wissenschaftlichen Methoden und Techniken, und beide waren Niederländer, die in Deutschland höchst erfolgreich waren. Obwohl beide eher traditionellen, durch eine klassische Gymnasialkultur geprägten Familien entstammten, wählten sie für ihre schulische Ausbildung eine moderne, bürgerliche Realschule (HBS) in Dordrecht, wo man Mathematik, Physik und Chemie lernte.

Mulder reiste in den folgenden Jahren mehrmals nach Bad Wiessee, durchforstete das Archiv der Tegernseer Zeitung, Tegernseer und Münchner Archive. Auch der Kontakt zu Stoops Erben glückte: Henriette van Voorst Vader-Duyckinck Sander, heute um die 80 Jahre alt, berichtete Mulder von ihrer Zeit in Bad Wiessee.

Unter dem Titel Zwavelwater. De geschiedenes van Adrian Stoops kuuroord in Zuid-Duitsland. (dt.: Schwefelwasser. Die Geschichte von Adrian Stoops Kurort in Süddeutschland) erschien im Frühjahr 2019 Mulders Buch im boom Verlag in Amsterdam und wurde folgendermaßen beworben: „Mulder combineert het persoonlijke met het historische in zijn fascinerende onderzoek naar de geschiedenis van den Duits-Nederlands kuuroord“ (dt.: Mulder kombiniert das Persönliche mit dem Historischen in seiner faszinierenden Untersuchung der Geschichte eines Deutsch-Niederländischen Kurortes). Das Cover der niederländischen Ausgabe lehnte sich an eine alte Postkarte aus dem Jahr 1912 an, die einen idyllischen Blick auf das alte Bad Wiessee eröffnet und das sich im Tegernsee spiegelnde erste Badehaus vor Bergpanorama präsentiert – ein Fund aus dem Bad Wiesseer Archiv.

2019 wurde Mulder in die „Schriftstellergalerie“ des Niederländischen Literaturmuseums in Den Haag aufgenommen, eine Auszeichnung, die besondere öffentliche Anerkennung ausdrückt. Auf der Seite des Literaturmuseums kann man nun lesen: „Reinjan Mulder liebt Literatur. Nicht nur als Dichter und Schriftsteller, sondern auch als Essayist und Literaturjournalist.“ Dass die Aufnahme ausgerechnet im Jahr 2019 erfolgte, hängt möglicherweise auch mit dem Erscheinen des Buchs Zwavelwater zusammen.