Münchner Geschichte(n), 18/2012: Vom Paradeisl zum Christbaum
Liebe Leserin, lieber Leser,
Nichts steht so sehr für Weihnachten wie der geschmückte Christbaum. Und der Adventskranz mit den vier roten Kerzen ist das Symbol schlechthin für die Vorweihnachtszeit. Wer hätte gedacht, dass beides noch bis weit ins 19. Jahrhundert in Bayern so gut wie unbekannt war? Von einem Christbaum als Gabenbaum wird erstmals 1605 in Straßburg berichtet. Es dürften wohl die beiden protestantischen Königinnen Caroline und Therese gewesen sein, die den Brauch des Weihnachtsbaums am Münchner Hof einführten. Auch Auguste Amalie, die Schwester von Ludwig I., stellte für jedes Familienmitglied einen eigenen Baum auf, unter dem die jeweiligen Geschenke lagen.
Auch der Adventskranz ist eine evangelische Erfindung: Johann Hinrich Wichern, der in Hamburg eine protestantische Erziehungsanstalt für junge Männer leitete, steckte im Dezember 1839 auf einen wagenradartigen Holzkranz 23 Kerzen. Jeden Tag leuchtete das Licht im Betsaal um eine Kerze heller. Die vier Adventssonntage wurden bei diesem Prototyp des Adventskranzes durch größere Kerzen markiert. Der erste Münchner Adventskranz hing in den 1930er Jahren nicht zufällig in der Kirche St. Sylvester in Schwabing, dem Vorort, in dem sich die protestantischen „Zuagroasten“ aus dem Norden bevorzugt niederließen.
In Bayern schmückte man die weihnachtliche Stube seit alters her mit einem „Paradeisl“, einem Gebilde aus vier Äpfeln, die mit sechs, oftmals kunstvoll verzierten Holzstäben oder Haselnussstöcken zu einer Pyramide verbunden wurden. Auf jeden Apfel steckte man eine Kerze, meist drei rote auf die unteren Äpfel und eine rosafarbene auf den oberen Apfel, die dann am dritten Adventssonntag (Gaudete) entzündet wurde. Wie beim Christbaum symbolisierten die Äpfel auch hier Fruchtbarkeit und Sündenfall zugleich. Dieser und viele andere Adventsbräuche zum Nachlesen und Nachmachen finden sich in dem Buch „Klaubauf, Klöpfeln, Kletzenbrot: Der Münchner Adventskalender“.
- ISBN: 978-3-86222-049-6