Bayerische Geschichte(n) 09/2011: Ein leerer Thronsaal
Liebe Leserin, lieber Leser,
er erstreckt sich repräsentativ über zwei Stockwerke, erbaut im byzantinischen Stil: der Thronsaal in Schloss Neuschwanstein. Man sagt, hier stand nie ein Thron. Dabei gab es verschiedene Entwürfe für einen prächtigen, von einem Baldachin gekrönten Thron; doch wurde er angeblich nie in Auftrag gegeben. Was ist wahr an den Gerüchten um den leeren Thronsaal?
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Die opulente Dekoration des Saals verrät die Antwort. Rechts vom geplanten Standplatz des Throns ist Christus zwischen Johannes und Maria abgebildet, seitlich sind die Apostel zu sehen und unterhalb der Heiligen Familie erstrahlen die Bildnisse von sechs heilig gesprochenen Königen. Letztere waren für Ludwig II. große Vorbilder. Doch Ludwig musste sich selbstkritisch eingestehen, dass es ihm nicht gelang, wie sie zu sein. Er befand sich nicht für würdig, wagte es nicht, sich unter all die heiligen Gestalten zu begeben – daher auch kein Thron.
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Inmitten der Heiligen sollte nach Meinung des Märchenkönigs nicht etwa der König von Bayern, sondern der Gralskönig thronen, und das wollte sich Ludwig nicht anmaßen. Hätte er jedoch hier auf einem Thron Platz genommen, dann hätte er auf der gegenüberliegenden Wand auf das Gemälde „Sankt Georg im Kampf mit dem Drachen“ geblickt. In dessen Hintergrund erhebt sich auf einem Gipfel die Burg Falkenstein, Ludwigs monumentales Schlossprojekt, das allerdings, genau wie der Thron in Schloss Neuschwanstein, nie verwirklicht wurde.
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In menschenferne Höhe wollte sich Ludwig II. zurückziehen, abgeschirmt durch die Mauern der Festung Burg Falkenstein. Doch daraus wurde nichts, der König hatte hohe Bauschulden, wurde schließlich entmachtet. Schon zu Lebzeiten war der König Gegenstand zahlreicher Gerüchte – nach seinem Tod vor 125 Jahren wurde er vollends von Legenden und Halbwahrheiten umwoben: Er habe Bayern verkaufen wollen, habe uneheliche Kinder in die Welt gesetzt und sein Leichnam sei gar nicht in der Münchner Michaelskirche beigesetzt. Alfons Schweiggert nimmt anlässlich des Jubiläumsjahrs Stellung zu 125 Aussagen, die über Ludwig II. kursieren und liefert so ein neues, präziseres Bild vom „Märchenkönig“.