Bayerische Geschichten 08/2025: Max kommt in Schule
Liebe Leserinnen und Leser,
pünktlich zum Schulstart ist er wieder da: der zweite Band der erfolgreichen Kinderbuchreihe um Max, den bayerischen „Michel aus Lönneberga“! Neu und umfangreicher illustriert erzählt Rosi Hagenreiner in „Obacht, Max!“ vom aufregenden ersten Schuljahr des kleinen Lausbuam aus Stephanskirchen, von seinen Streichen und Abenteuern, seiner verrückten Familie und einer ganz speziellen bayerischen Dorfgemeinschaft. Das ideale Geschenk für den Schulstart, zum Vor- und Selberlesen.
Leseprobe
In der Aula der Schule stand der Direktor Dieplinger auf der Bühne hinter einem viel zu großen Rednerpult. Mehr als Kopf und Schultern konnte man von ihm nicht sehen. Er zuckte ab und zu mit der Nase und wippte nervös mit den Füßen auf und ab, wodurch er zwischendurch immer wieder ein paar Zentimeter größer wurde und dann gleich wieder schrumpfte.
Als die drei Nachzügler das Schulhaus betraten, stellte der Dieplinger gerade die Lehrkräfte vor, die in der 1. Klasse unterrichten würden.
Die Frau Stelzenmüller saß strickend auf einer Bank neben dem Dieplinger. Sie schenkte den anwesenden Schülern und Eltern ein schüchternes Lächeln, sagte mit ihrer Piepsstimme „Guten Morgen“ und klapperte schnell wieder weiter mit ihren Stricknadeln. Es war unschwer zu erkennen, dass sie die Handarbeitslehrerin war. Neben ihr wartete die Frau Spatz, die Musiklehrerin, mit der Gitarre auf ihren musikalischen Einsatz.
Auf der anderen Seite des Rednerpults stand der Hansi, der Warmedinger, lässig in ein Trikot der 1860er und in eine nicht mehr ganz neue Trainingshose, die sichtlich schon Bekanntschaft mit Motten gemacht hatte, gekleidet. Das Trikot allerdings sah neu aus. Ein weiß-blaues Stirnband sollte wohl Warmedingers sportliche Erscheinung unterstreichen, passte aber nicht so ganz zum wohlgerundeten Bauch eine Etage tiefer. Man konnte aus dem Gesamtpaket schließen, dass der Hansi erstens ein Anhänger der Löwen, ziemlich unsportlich, aber trotzdem der Sportlehrer war.
Max schaute kritisch von der Stelzenmüller zur Spatz, vom Warmedinger zurück zum Rednerpult – und lehnte sich erleichtert auf seinem Stuhl zurück, als er kapierte, wer da auf und ab wippte.
„Du, den kenn ich“, flüsterte er Fritz zu, „der ist gar nicht schlimm.“
Max kannte den Dieplinger. Schließlich war das der Rudi, ein Freund vom Opa, mit dem er am Sonntag immer beim Stammtisch sitzt und Karten spielt. Außerdem kommt der Rudi ab und zu in Alfreds Werkstatt vorbei. Und bei der Mäusejagd damals, als Oma kreischend auf einem Stuhl in der Küche stand, hat er auch mitgeholfen.
„Das ist gut“, dachte Max zufrieden, „der traut sich bestimmt nicht, mir eine Strafaufgabe zu geben, weil er weiß, dass ich das dem Opa erzähle.“
Und dann erschrak er, weil plötzlich der Pfarrer Neuhauser das Schulhaus betrat. „Oh Gott! Der auch noch“, dachte Max, „da gibt’s sicher wieder Frühmesse.“
Der Neuhauser hat nämlich die komische Angewohnheit, immer seinen Finger hochzuheben, aber nicht weil er sich melden und was sagen will. Nein, wenn der Neuhauser einen Finger in die Luft streckt, dann bedeutet das, dass man einmal ganz früh aufstehen und in die Frühmesse gehen muss. Zuweilen hebt der Neuhauser auch zwei Finger hoch, kommt ganz drauf an, was man angestellt hat.
Zehn Stephanskirchener waren es, die mit den übrigen Kindern in der Aula saßen: Max, Fritz, Lukas, Tobias, Elias, Verena, Stephanie, Julia, Moritz und der Pauli, fast eine ganze Fußballmannschaft. Mehr oder weniger nervös warteten sie mit großen Augen bis der Dieplinger mit seiner Rede fertig war.
Dann griff die Spatz, die Musiklehrerin, zu ihrer Gitarre und begann zu singen. Alle Anwesenden starrten verlegen auf ihre Füße. Auch dem Dieplinger ging ihr Gesang durch Mark und Bein. Deshalb bedankte er sich ganz schnell, bevor sie noch eine zweite Strophe anstimmen konnte. Max fiel ein großer Stein vom Herzen, als der Rudi Dieplinger sich als Klassenlehrer für die Neuen vorstellte und seine Kinder ins Klassenzimmer führte.
Er setzte sich an einen Tisch mit Fritz, Lukas, Moritz, Christian und Julia. Seine Schultasche stellte er auf den Boden und schaute sich interessiert um.
Das Zimmer war hell und freundlich. Die hintere Wand war himmelblau gestrichen. Davor stand ein alter Bücherschrank aus dunklem Holz, Dieplingers ganzer Stolz, ein Erbstück von seiner Großmutter. Zwei große Fenster ließen viel Licht herein und es gab sogar eine Terrassentür zum Pausenhof. Die langen Vorhänge mit dem hellen Streifenmuster machten es gemütlich. Na ja, hier konnte man sich durchaus wohlfühlen. Max gefiel es.
Wenn er nur nicht immer wieder an die schrecklichen Geschichten hätte denken müssen, die Kati und Tina erzählt hatten. Wer weiß, vielleicht hatten die zwei doch recht und der Dieplinger verstellte sich nur, solange die Eltern dabei waren?
Dann kam auch der Neuhauser ins Klassenzimmer.
„Das ist gut, jetzt frag ich den Dieplinger gleich. Denn wenn der Pfarrer dabei ist, darf er nicht lügen“, dachte Max und meldete sich.
„Ja, Max“, sagte der Dieplinger, „wo brennt’s?“
„Nix brennt, Herr Dieplinger, aber ich wollte fragen, ob das stimmt, dass man eingesperrt wird, wenn man was vergessen hat, und dass man in der Ecke stehen muss, wenn man dumm ist?“
„Also, Max!“ Der Rudi Dieplinger war entrüstet. Er zuckte mit der Nase, dass seine Brille nur so hüpfte, und fragte: „Wie kommst du denn auf die Idee? Wer sagt denn so was?“
„Die Kati und die Tina. Und dass man eine Kopfnuss bekommt, wenn man ratscht, und jeden Tag seitenlange Strafaufgaben schreiben muss, das haben sie auch gesagt.“
Der Dieplinger zuckte erneut mit der Nase: „Max, das ist alles Quatsch. Hier wird keiner eingesperrt oder in die Ecke gestellt und Kopfnüsse gibt’s schon gleich gar nicht. Die beiden haben dich angeschwindelt. Und außerdem muss bei mir keiner Strafaufgaben schreiben. Da fällt mir schon was Besseres ein.“
Zufrieden setzte sich Max wieder hin.
„Ich hab dir doch gesagt, dass die nur dummes Zeug reden“, flüsterte Fritz ihm zu, „aber du hast mir ja nicht geglaubt.“
„Okay, du hattest recht“, flüsterte Max. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Also, wenn das so ist“, dachte er und lächelte, „dann krieg ich das mit der Schule schon hin.“
Und Max beschloss, nun doch bis zum Ende zu bleiben. Ich glaube, er war jetzt sogar ein bisschen stolz darauf, ein Schulkind zu sein.
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ISBN: 978-3-86222-344-2 €16,90

