Bayerische Geschichte(n), 15/2014: Schatzsuche in Bayerns Vergangenheit
Liebe Leserin, lieber Leser,
taucht man ein in die fantastische Welt der bayerischen Sagen, dann ist man der Vergangenheit trotz Zauberei, Wundern, Teufelstreiben und Geisterspuk näher, als man glaubt. Wie zum Beispiel das oberbayerische Berchtesgaden zu seinem Namen gekommen sein soll, erzählt „Die Jungfrau am See“: Schauplatz ist der idyllische Königssee, an dessen Ufer einst ein Jäger – er soll Berthold geheißen haben – saß. Zu arm, um das Mädchen seines Herzens heiraten zu können, war der junge Mann in die Einsamkeit der Wildnis gezogen, es nahte jedoch Hilfe in Form eines Wassergeists. Eine Schwanenjungfrau wies ihm den Weg zum wahrscheinlich größten Schatz des Berchtesgadener Lands: zu den Salzlagern im Gebirge. Aus dem armen Jäger wurde ein fleißiger Bergmann, der mit dem gewonnenen Reichtum bald fröhlich Hochzeit feierte.
Der Schatzsucher und -finder in der Erzählung vom „Grindigen Hainz“ bedarf des unerwarteten Reichtums nicht so sehr wie der arme Berthold, weiß ihn aber umso besser anzulegen: Die Sage nennt ihn Konrad Hainz, die Historie Konrad Groß, und beide zeigen ihn als einen der reichsten Männer, die die Stadt Nürnberg wohl je gesehen hat. Eines Sommers träumte er vom Finden eines großen Schatzes. Allein ausgraben konnte er ihn mangels Werkzeug nicht, also legte er ein paar Lindenblätter an die Stelle, wo Gold und Geschmeide warteten, und gelobte, alles den Armen zu spenden, wenn er die Reichtümer nur wiederfinden würde. Kaum erwacht, stand er schon vor einem Häufchen Lindenblätter und eifriges Graben förderte den erträumten Schatz zutage. Das Heilig-Geist-Spital, das der reiche Groß daraufhin erbauen ließ, bot über hundert Kranken und Pflegebedürftigen Platz.
Träume scheinen grundsätzlich vielversprechende Ansatzpunkte für eine Schatzsuche zu sein: Im oberfränkischen Rothenbühl – heute ein Ortsteil von Ebermannstadt – erhielt einst ein armer Bauer im Schlaf gleich drei Mal den guten Rat, in Regensburg auf der berühmten Steinernen Brücke auf sein Glück zu warten. Der Weg muss dem Bauern wie eine halbe Weltreise vorgekommen sein, zu Fuß legte er über hundert Kilometer zurück, bis er endlich am Ziel war. Doch statt Reichtum und Glück fand er nur einen spöttischen Regensburger Bürger, der seinen Aberglauben verlachte: Wenn er, der hohe Herr, etwas auf Träume geben würde, wäre er längst in einem Ort namens Rothenbühl und grübe unter dem Altar einer verfallenen Kapelle nach dem Gold aus seinem Traum! Der Bauer nahm darauf die Beine in die Hand und fand, zu Hause angekommen, seinen Schatz.
Ein echter Schatz ist auch die Sagensammlung Alexander Schöppners aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die schönsten Erzählungen aus der Fundgrube des bayerischen „Bruder Grimm“ hat Herausgeber Paul Fenzl nun in einem Buch versammelt: „Sagen aus Bayern. Von Hexen, Heiligen und Halunken“. Der prächtige Leseband entführt mit Worterklärungen und Hintergrundinformationen zum wahren Kern einer jeden Sage in eine Welt voller Aberglaube, Spuk und Wunder – in die fantastische Vergangenheit Bayerns.
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ISBN: 978-3-86222-481-4 €24,90