Versteckte Vergangenheit
In einigen schwäbischen Ortschaften umfasst die jüdische Gemeinde vor dem Zweiten Weltkrieg kaum ein Dutzend Familien. Mancherorts stellten die Juden dagegen über die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Kein Wunder also, dass die architektonischen Spuren jüdischen Lebens in Schwaben so zahlreich sind. Sie offenbaren sich allerdings oft erst durch einen Blick hinter die aktuelle Fassade. So manches schlichte Wohnhaus zwischen Kempten, Ulm und Augsburg bildete bis zur nationalsozialistischen Schändung und Plünderung das jüdisch-religiöse Zentrum des jeweiligen Ortes.
Verglichen mit den vielen zwar nicht komplett zerstörten, aber in ihrer eigentlichen Funktion doch untergegangenen Rabbinats-, Armen-, Kranken-, Schulhäusern und Synagogen, hat das ehemalige jüdische Gotteshaus von Ichenhausen ein seiner ursprünglichen Bedeutung angemesseneres Gesicht erhalten: Seit 1987 bietet es als „Haus der Begegnung“ einen Zugang zu Geschichte, Religion und Tradition der jüdischen Kultur.
Die einstige Vielfalt jüdischen Lebens in Bayerisch-Schwaben hat in „Das leere Haus“ ein literarisch-fotografisches Denkmal erhalten. Die eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Aufnahmen Martin Paulus’ werden dabei um die ausführlichen Essays der Historiker Edith Raim und Stefan Paulus sowie einen autobiografischen Beitrag des Schriftstellers Rafael Seligmann bereichert.