Münchner Geschichte(n), 16/2014: Hier schlägt das Herz der Stadt
Liebe Leserin, lieber Leser,
natürlich findet man den Ort mit dem weltweit größten Bier-Ausstoß pro Quadratmeter in München. Aber – anders als erwartet – nicht auf der Theresienwiese in einem der großen Wiesnzelte an einem Samstagabend, sondern in einer winzigen Boazn mitten im Herzen der Stadt: Das „Heilig-Geist-Stüberl“ befindet sich ganz in der Nähe des Viktualienmarkts. Da der Durchgang an der Theke nicht als offizielle Ausschankfläche gezählt werden darf und es sonst kaum noch Fläche gibt, die Wirtin hinter der Theke aber gleich zehn Zapfhähne zu bedienen hat, ist die, überdies auch noch üppig dekorierte Kneipe durchaus rekordverdächtig. Der hochdeutschen Bezeichnung „Stehausschank“ wird sie außerdem gerecht wie keine zweite: Als Sitzgelegenheit gibt es nur einen einzigen Barhocker.
Ein Ort der Superlative ist auch das „Markt-Stad’l“: Hier vergibt der Boazn-Tester Maximilian Bildhauer, der Viertel um Viertel auf der Suche nach düsteren und urigen Kneipen die Stadt durchstreift, den „Platz 1 in Sachen Fassadengestaltung“. Und damit nicht genug: „Auch die inneren Werte zählen.“ Auch hier fällt die „Restaurantkritik“ durchaus positiv aus: „Die Ballermann-Musik war schon zur Mittagszeit bis zum Anschlag aufgedreht, das sollte sich im Laufe des Tages auch nicht mehr ändern. Zu fortgeschrittener Stunde wurde ausgelassen getanzt: Egal ob graue Büromaus mit Sicherheitsbändern an der Brille, ob verwirrte Schönheit im String-Tanga oder tätowierter Zuchthäusler mit Hang zum Exhibitionismus – sie alle tanzten den fröhlichen Reigen der Zuversichtlichen, und das mit einer Anmut, die mir den Atem verschlug.“
Für Maximilian Bildhauer sind die kleinen Bierkneipen, die sich wacker gegen unaufhaltsame Gentrifizierungstendenzen stemmen, die letzten Enklaven der bayerischen Trinkkultur. Er sagt: „Die Boazn ist ein Kommunikationszentrum, wo die Leute zusammenkommen, sich nach der Arbeit treffen, entspannen, austauschen. Es wird gemeinsam Fußball geschaut oder Karten gespielt. Wenn das wegfällt, wo gehen die Leute dann hin?“ Immerhin 34 Boazn hat er in der Münchner Altstadt und in der Isarvorstadt noch gefunden. Jetzt setzt er ihnen mit dem dritten Band von „Munich Boazn“ ein Denkmal.
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Angebot!ISBN: 978-3-86222-104-2 €6,00