Bayerische Geschichte(n), 33/2015: Rausch mit Nebenwirkungen
Liebe Leserin, lieber Leser,
im ausgehenden 15. Jahrhundert kostete eine Maß Bier in München einen Pfennig, wohingegen man für dieselbe Menge des aus Italien stammenden, sogenannten „Welsch-Weins“ mindestens zehn bis 14 Pfennige hinlegen musste. Der gute „Malvasier“ kostete sogar 32 Pfennige, also mehr als ein „zünftiger“ Handwerker am Tag verdiente. Kein Wunder, dass die Münchner sich schon damals lieber am Bier berauschten, auch wenn es qualitätsmäßig dem Wein noch weit unterlegen war. Das zentrale Problem der Münchner Brauer bestand über Jahrhunderte hinweg in der schlechten Haltbarkeit ihres Produkts. Vor allem im Sommer kam es häufig vor, dass sich das Bier in den Lagerkellern unter den Brauereien zu schnell erwärmte und sauer wurde. Auch geschah es immer wieder, dass ein ganzer Sud überhaupt nicht gelang und weggeschüttet werden musste.
Für ein solches Missgeschick wurden nicht selten „Bierhexen“ verantwortlich gemacht. Noch 1591 landete eine Frau auf dem Scheiterhaufen, die, so die Anklage, einen Sud verhext hatte. Um sich vor solchen negativen Einflüssen zu schützen, wurde häufig ein fünf- oder sechszackiger Stern über dem Braukessel aufgehängt, der sich dann im Lauf der Zeit zum Symbol für das Brauwesen im Allgemeinen entwickelte und bis heute in der Oberpfalz als „Zoiglstern“ verbreitet ist. Makaber wurden die mittelalterlichen Schadenszauber allerdings, wenn der abgetrennte Finger oder gar das männliche Glied eines gerade Gehenkten in das Fass getaucht wurde, was einen überaus gelungenen Sud versprach. Unabhängig von solchen spirituellen Hilfsmaßnahmen versuchten die Brauer regelmäßig, den schlechten Geschmack ihres Bieres durch die Beigabe von Kräutern wie Lorbeer oder Wacholder zu überdecken, auch Kümmel, Anis, Enzian, Stechapfel oder Johanniskraut kamen dabei zum Einsatz.
Gefährlich wurde es allerdings, wenn rauschfördernde Zusatzstoffe wie Wermut, Seidelbast und Mohn in den Sud gemischt wurden. Die Samen von Bilsenkraut, im Mittelalter auch als Hexenkraut bekannt, und Tollkirsche führten zu rauschhaften Zuständen mit optischen, oftmals auch sexuellen Halluzinationen – und in manchen Fällen auch zum Tod. Das berühmte Gesetz von 1516, das Herzog Wilhelm IV. von seinen Räten in Abstimmung mit den Landständen ausarbeiten ließ und dessen Unterzeichnung sich 2016 zum 500. Mal jährt, bestimmte erstmals feste Brauzeiten, eine Obergrenze für den Bierpreis und vor allem die Beschränkung auf „allein Gerste, Hopfen und Wasser“, die drei „reinen“ Zutaten, aus denen fortan überall in Bayern bestes Bier gebraut werden sollte. Das Reinheitsgebot sollte aber vor allem der zuhauf praktizierten, nicht selten lebensgefährlichen Bierpantscherei ein Ende setzen.
„Der Bayer und sein Bier“ – das ist die Geschichte einer großen Liebe. Astrid Assél und Christian Huber berichten in 13 Episoden von dieser einzigartigen Verbindung. Dabei schreiben sie nicht nur eine Geschichte des Bierbrauens in Bayern, sondern lassen außerdem zu jedem Kapitel historisch verbürgte Bayern als Akteure in unterhaltsamen fiktiven Szenen auftreten.
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ISBN: 978-3-86222-191-2 €16,90