Bayerische Geschichte(n), 15/2016: The last Queen of Bavaria
Liebe Leserin, lieber Leser,
in dem kleinen Ort Bernried am Westufer des Starnberger Sees liegt das Schloss Höhenried. Einst lebte hier Wilhelmina Busch-Woods, die Tochter des amerikanischen „Bierkönigs“ Adolphus Busch aus der Brauereidynastie Anheuser-Busch. Die junge Brauereierbin kam 1911 bei einem Jagdausflug nach Bernried und kaufte sich praktisch im Vorbeifahren dort ein. Zuletzt besaß sie am Seeufer mehr als 750 Hektar Grund. In den ersten Jahren bewohnte die schöne „Minnie“ zusammen mit ihrem Mann, dem deutschen Hopfenhändler Eduard August Scharrer, jedoch noch eine feudale Villa an der Seeshaupter Straße. Beide waren für ihren extravaganten Lebensstil bekannt, so hielten sie in ihrem 40.000 Quadratmeter großen Garten fast hundert weiße Pfauen. Aus diesem Grund wird deren erster Bernrieder Wohnsitz auch Pfauenvilla genannt.
Glücklich wurde Wilhelmina mit ihrem schneidigen Hopfenhändler „Eddy“ jedoch nicht. Eduard investierte das Geld seiner Frau in fragwürdige Geschäftsideen, die nicht alle von Erfolg gekrönt waren. Mit der Zeit ging jeder seinen eigenen Leidenschaften nach. Während Eduard, der mittlerweile zum königlichen Generalkonsul von Bulgarien aufgestiegen war, sich dem Jagen und Reiten widmete und sich angeblich schon zum Frühstück zwei Pfund Speck und zehn Eier braten ließ, gab Wilhelmina ihr Geld für teure Luxusgegenstände aus. Sie war nicht nur die erste in Bernried, die überhaupt ein Auto besaß, sie konnte gleich vier Luxuskarossen ihr Eigen nennen. Neben einem Maybach und einem Cadillac standen auch ein Mercedes und ein Borgward in ihrer Garage. Als Eduard es jedoch mit der Leidenschaft übertrieb und sich im Münchner Parkhotel eine Geliebte hielt, wurde es seiner Frau zu viel. Sie warf ihn raus und reichte die Scheidung ein.
Doch eine Frau wie Wilhelmina blieb nicht lange allein. Ihr zweiter Ehemann wurde der 19 Jahre jüngere Dr. Carl Borchard. Mit ihm zusammen erfüllte sie sich einen Traum und ließ das Schloss Höhenried bauen, in dem sie in den Folgejahren wie die „last Queen of Bavaria“ lebte. Aus der schönen Minnie wurde über die Jahre die dicke Wilhelmina und Ehemann Nr. 2 musste nach zehn Jahren ebenfalls einem anderen weichen. Ehemann Nr. 3 wurde der Texaner Samuel Edison Woods, mit dem Wilhelmina ihr feudales Leben in ihrem eigenen Schloss fortführte. Diese Ehe hielt bis zum Schluss. Beide starben kurz hintereinander Anfang der 1950er Jahre an den Folgen ihrer ausschweifenden und ungesunden Lebensführung. Heute ruhen Wilhelmina und ihr Sam in einem pompösen Marmorsarkophag mit der Aufschrift „Love never ends“ auf dem Friedhof in Höhenried. Allerdings jeder in seinem eigenen.
Das Buch „Unbekanntes Fünfseenland. Von Fischern, Fürsten und Fantasten“ ist kein klassischer Reiseführer, der noch einmal die großen Sehenswürdigkeiten vorführt. Die Autorin Katja Sebald möchte dazu einladen, sich selbst auf den Weg zu machen und die weniger bekannte Seite des Fünfseenlands, die in Vergessenheit geratenen Orte, Personen und Ereignisse kennenzulernen. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad, mit dem Boot, vielleicht auch mit dem Auto, auf jeden Fall aber mit offenen Augen.