Bayerische Geschichten 14/2025: Täter – Opfer – Orte

Liebe Leserinnen und Leser, 

die Geschichte des „Dritten Reichs“ lässt sich nicht ohne München erzählen. Hier wurde die NSDAP gegründet und ihre Parteistrukturen aufgebaut, hier fanden die ersten Versammlungen der Nationalsozialisten statt und hier startete Hitler seinen Putschversuch, der zwar scheitern, ihm aber deutschlandweite Bekanntheit verschaffen sollte. Nicht ohne Grund war München für Hitler die „Hauptstadt der Bewegung“.
Mitten in dieser Keimzelle des rechten Gedankenguts gab es auch solche, die den Nationalsozialisten Widerstand leisteten: Seien es Gruppen wie die Weiße Rose, Einzelkämpfer wie Georg Elser oder einflussreiche und ausdrücklich regimekritische Schriftsteller wie Thomas Mann oder Lion Feuchtwanger.
Der Stadtführer „Nazi-München“ verbindet Bekanntes mit Unbekanntem und macht die Anatomie des Nationalsozialismus durch Touren erlebbar. Im Hintergrund stellt Kaevan Gazdar dabei immer die Frage: Wo verläuft die Linie zwischen Opfern, Tätern und Widerständlern?

Zweckentfremdung der Elisabethschule: Hier wurde der Rekrut Hitler aufgenommen (Fotos: Stadtarchiv München).

Die Anfang des 20. Jahrhunderts von Theodor Fischer errichtete Elisabethschule, nach der österreichischen Kaiserin „Sisi“ benannt, gehört zu Münchens schönsten Neorenaissance-Bauten. Zum Kriegsbeginn 1914 wurde sie zu einem Rekrutenaufnahmezentrum umfunktioniert. Im Musterungsbüro wurde Adolf Hitler am 16. August aufgenommen. Er hatte zuvor als österreichischer Staatsbürger ein Aufnahmegesuch an den bayerischen König Ludwig III. gerichtet; schon am nächsten Tag erhielt er die Genehmigung. Hitler leistete einen Eid auf den bayerischen König und den österreichischen Kaiser und wurde Teil des 2. Infanterie- Regiments. Nach einer Ausbildungszeit von nur zwei Monaten kam er kriegsbedingt schon Mitte Oktober 1914 an die Westfront.

Prachtvolle Fassade: das Palais des Nobelausstatters Bernheimer

1864 gründete Lehmann Bernheimer einen Textilhandel und war bald einer der angesehensten Geschäftsmänner der Stadt. Das Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Palais Bernheimer gehörte zu den vornehmsten Adressen in München, kostbare Wohnungseinrichtungen, Antiquitäten und Asiatika waren dort zu bekommen. Obwohl die Bernheimers Juden waren, zählte auch Joseph Goebbels zu ihren Kunden und wusste ihre Expertise sehr zu schätzen. 1938 verhinderte er eine Enteignung der Familie und ermöglichte ihnen die Flucht nach Südamerika – unter der Voraussetzung, dass sie dort von seinen Verwandten eine völlig überteuerte Hacienda kaufen und ihm eine Vermittlungsgebühr von fast einer Million Reichsmark zahlen würden.

Ehrentempel als Kulisse: Kundgebung an Hitlers Geburtstag 1937

Beim Hitlerputsch am 9. November 1923 waren 15 Putschisten im Schusswechsel mit der Landespolizei getötet worden. Nachdem der Putsch nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 zu einem geradezu sakralen Ereignis mythisiert worden war, wurden für die Gefallenen am Königsplatz zwei Ehrentempel errichtet. In deren leicht abgesenkten Innenräumen wurden die Eisensärge der „Blutzeugen der Bewegung“ ausgestellt. Aus Symmetriegründen, damit in beiden Tempeln je acht Särge ausgestellt werden konnten, wurde auch der beim Schusswechsel versehentlich getroffene, eigentlich unbeteiligte Karl Kuhn mit einem „Ehrenplatz“ bedacht. 1947 wurden die Ehrentempel am Königsplatz von den Amerikanern gesprengt; die mit Gras überwucherten Fundamente sind heute noch vorhanden.