Bayerische Geschichten 12/2025: Der Debütroman von Claudia Koreck

Liebe Leserinnen und Leser,

die erfolgreiche Singer-Songwriterin Claudia Koreck und ihr Mann, der Musikproduzent Gunnar Graewert, erzählen in ihrem Debütroman „Sing lauter, Heidi!“ von der Kraft der Musik – und schenken uns nicht nur eine Geschichte, sondern auch einen exklusiv für das Buch komponierten Soundtrack.
Heidi Morales wächst als Kind chilenischer Einwanderer ohne Vater und mit einer alkoholkranken Mutter in einem der ärmeren Viertel New Yorks auf. Früh muss sie die Verantwortung für ihre beiden jüngeren Geschwister übernehmen und ihren Traum, Sängerin zu werden, immer wieder zurückstellen.
Mick Montgomery, Erbe einer der mächtigsten Dynastien Amerikas, rebelliert gegen die dunklen Machenschaften seiner Familie und entdeckt seine Leidenschaft für Musik – er wird zu einem der erfolgreichsten Musikproduzenten seiner Zeit.
Als Heidi und Mick aufeinandertreffen, entsteht eine Verbindung, die den Sound einer ganzen Generation verändern könnte. Doch wie weit dürfen sie gehen, um ihre Botschaft der Liebe in die Herzen der Menschen zu pflanzen? Und sind Liebe, Wahrheit und Kunst wirklich stärker als die dunklen Kräfte unserer Zeit?

Claudia Koreck und Gunnar Graewert stellen am Montag, den 6. Oktober 2025, um 20 Uhr ihren Debütroman im Lustspielhaus in München (Occamstraße 8) vor. Freuen Sie sich auf eine musikalische Buchpremiere mit den beiden Autoren und Livemusik mit einer fantastischen Band.
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Leseprobe

Als Heidi fertig war, herrschte Stille. Sie öffnete ihre Augen und konnte spüren, dass ihr Song etwas ausgelöst hatte. Die Menschen wirkten wie angefasst. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis jemand zu klatschen begann. Aber dann gab es kein Halten mehr. Der Applaus war umwerfend und trieb ihr direkt die Tränen in die Augen. So fühlte sich Glück an, verdammt.
»Heidi! Du warst der Wahnsinn. Krass.« Camila stürmte strahlend auf sie zu und ihre Freunde jubelten laut. »Danke, vielen Dank, Leute«, sagte Heidi, während sie versuchte, Mick Montgomery aus den Augenwinkeln zu erspähen. Sie konnte ihn nirgends entdecken. Hatte er ihren Auftritt überhaupt mitbekommen? Wahrscheinlich war er einfach gegangen, bevor sie zu spielen begonnen hatte. Sie stellte fest, dass sie sich leer fühlte. Nicht, dass sie sich große Hoffnungen gemacht hätte. Es wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.
Ein paar Leute aus dem Publikum gratulierten ihr zu ihrem gelungenen Auftritt, aber Heidi merkte, dass sie das Lob gar nicht an sich heranließ. Sie kam einfach nicht über den Gedanken hinweg, dass sie möglicherweise eine riesengroße Chance verpasst hatte. […]
Eine sanfte Berührung an der Schulter riss sie aus ihren Gedanken. Als sie sich umdrehte, stand er plötzlich vor ihr. Blondes, leicht gewelltes Haar, das ihm lässig ins Gesicht fiel. Leichter Schlafzimmerblick. Seine Hände steckten halb in den Hosentaschen. Seine Augen schimmerten ihr blau entgegen.
»Hey, du warst wirklich toll gerade.« Mick ließ die Worte fast beiläufig fallen, während er an ihr vorbeiging, als wäre das alles nicht so wichtig.
»Ähh. Dankeschön …«, brachte Heidi mit leiser Stimme hervor. Ihre Hand zitterte leicht. Sie nahm all ihren Mut zusammen und rief ihm hinterher: »Hey … ähm. Warte doch mal!« Ihre Worte klangen aufdringlicher, als sie beabsichtigt hatte. »Ich … ich weiß, wer du bist.«
Mick blieb stehen, drehte sich langsam zu ihr um, ein kaum merkliches Lächeln auf den Lippen, als ob er diese Situation schon oft erlebt hatte. »Ach ja?«
Heidi spürte, wie ihre Kehle sich zuschnürte. »Ja, du bist Mick Montgomery, oder?« Ihre Stimme klang fest, doch innerlich kämpfte sie gegen das Gefühl an, dass sie sich gerade auf dünnem Eis bewegte.
Er musterte sie für einen Moment, sein Blick prüfend. »Schon möglich«, erwiderte er schließlich, als wäre es ihm gleichgültig.
»Ähm. Ich bin Heidi«, sagte sie und schob noch einen unsicheren Lacher hinterher. Oh nein. Sie musste cool bleiben. Aber ihr Herz pochte viel zu schnell und jetzt wurde sie auch noch rot.
»Hi, Heidi.« Micks Augenbrauen zogen sich fragend nach oben.
»Also, ich … Hättest du Lust, mit mir was zu trinken?«, platzte es aus ihr heraus. Oh Gott. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Hättest du Lust, mit mir was zu trinken? Sehr kreativ.
Mick hielt inne, sah sie an und für einen Moment war da ein Ausdruck in seinen Augen, den sie nicht deuten konnte.
»Eigentlich nicht, nein«, antwortete er schließlich, so ruhig, dass es fast schon wehtat. Wie peinlich. Jetzt hatte ihr Gesicht ganz sicher die Farbe einer Tomate.
Doch dann, als hätte er ihre Enttäuschung gespürt, huschte ein Lächeln über seine Lippen. »Aber lass uns doch nach draußen gehen, wenn du willst. Es ist verdammt stickig hier drin«, fügte er hinzu, als wäre das die natürlichste Sache der Welt, und deutete Richtung Ausgang.
Heidi blieb wie angewurzelt stehen. Erst als er schon durch die Tür verschwunden war, ging sie endlich hinterher. Ein kühler Luftschwall wehte ihr entgegen. Sie atmete tief durch.
Mick zündete sich eine Zigarette an. »Auch eine?« Er hielt ihr die Packung hin.
»Nein, danke, ich rauche nicht«. Heidi bemerkte, dass ihre Hände zitterten. Sie steckte sie schnell in die Hosentaschen.
»Dieser Flamingo, der da gerade singt, macht mich wahnsinnig. Kriegt keinen Ton ohne einen Schlenker raus«, murmelte Mick und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette.
»Du bist aber kritisch. Für einen Flamingo singt sie doch nicht schlecht.« Heidi versuchte, locker zu klingen, während sie sich gegen die kalte Mauer lehnte. In Wahrheit wollte sie einfach nur wissen, was er wirklich dachte – und zwar über sie.
»Haha. Mag sein« Mick ließ den Rauch langsam entweichen, sein Blick verlor sich kurz in der Ferne. Dann wandte er sich wieder Heidi zu. »Aber dein Auftritt …« Er kam ins Stocken, als ob er die richtigen Worte erst noch finden musste.
Mick war beeindruckt. Um ehrlich zu sein, sie hatte ihn umgehauen. Die Art, wie sie sang, direkt und ohne Imponiergehabe. Pur und schnörkellos. Ihr Gespür fürs Songwriting. Aber da war noch mehr. Ihm gefiel, wie unprätentiös sie ihn angesprochen hatte. Sie hatte gar nichts mit den Mädchen gemein, die ihn üblicherweise umgarnten und sich von ihm eine Eintrittskarte in die Unterhaltungsbranche erhofften. […]
»Also, ich mag sehr, was du da gemacht hast heute. Wann trittst du das nächste Mal auf?« Mick nahm einen weiteren Zug von seiner Kippe.
»Hmm. Vielleicht in zehn Jahren?«, erwiderte Heidi trocken.
Mick fing an zu lachen. Witzig war sie auch noch.
»Nein, nein, das meine ich ernst. Das war mein erster Auftritt seit acht Jahren oder so. Meine Schwester hat mich überredet, heute hier aufzutreten.«
Mick spürte, dass es sie Überwindung gekostet haben musste, das zuzugeben. »Tolle Schwester hast du.« Er dachte an seine eigene Schwester Abigail, mit der er nichts gemein hatte. Sie hatte in all den Jahren nicht ein Wort über seine Musik verloren. Kein einziges. Heidi faszinierte ihn. Da hatte sie so unglaubliches Talent und nutzte es nicht. Dabei sah sie schon aus wie ein Star. Und das lag nicht an dem, was sie anhatte, sondern an dem, was sie ausstrahlte. Charisma konnte man nicht kaufen, man hatte es oder man hatte es nicht, so einfach war das.
In ihm formte sich eine Idee. Normalerweise war das nicht sein Stil. Er zögerte noch einen Moment, dann machte er ihr das Angebot. »Deine Stimme hat echt was Besonderes, Heidi. Ich würde dich gern mal zu mir ins Studio einladen.«
»Ins Studio? Das … das wäre unglaublich.«
»Perfekt. Wie wär’s, wenn wir uns gleich morgen treffen? Wir könnten einfach mal ein paar Sachen ausprobieren und sehen, wohin das führt?« Mick versuchte, das dezente Prickeln zu ignorieren, das sich in seiner Magengegend breitmachte.
Heidi nickte und notierte sich die Adresse in einem lilafarbenen Notizbuch, dass sie aus ihrer Jacke hervorzog. Er musste erneut grinsen. Wer hatte im Zeitalter von Smartphones denn noch Notizbücher dabei?
»Gegen 14 Uhr? Passt das?«, fragte er.
»Super«, antwortete sie mit einem breiten Grinsen, was den Blick auf die kleine Zahnlücke freigab, die ihm schon beim Singen aufgefallen war.
Mick drückte seine Zigarette auf dem schwarzen Asphalt aus. »Dann bis morgen, Heidi. Ich freu mich.«
»Ich mich auch.« Heidi blickte Mick Montgomery hinterher, der in der Nacht verschwand.
Fassungslos starrte sie auf die Adresse, die sie sich notiert hatte. Es fühlte sich an, als würde etwas Großes passieren. Etwas, das ihr Leben verändern könnte. Und sie merkte, wie die Angst in ihr hochstieg. Was, wenn sie ihren Traum ein zweites Mal verlieren würde? Das würde sie nicht überleben. Sie steckte das Notizbuch zurück in die Tasche, holte ihre Gitarre aus dem Club und ging nach Hause.