Bayerische Geschichte(n) 07/2011: Die launischen Geschenke eines Königs

Liebe Leserin, lieber Leser,

Die Kreuzigungsgruppe samt Ludwig-Medaillon auf einer Postkarte um 1900.

Oberammergau ist nicht allein für seine exponierte landschaftliche Lage oder die Passionsfestspiele bekannt, sondern auch für die Kreuzigungsgruppe, dem einst größten in Stein gemeißelten Denkmal der Welt. Sie war ein Geschenk König Ludwigs II., trägt in goldenen Lettern den Namen ihres Stifters, steht an einem von ihm ausgewählten Platz und war jahrelang die Stätte seiner tiefsten Andacht. Das ist kein Zufall, verband Ludwig mit Oberammergau doch ein inniges Verhältnis, nachdem er dort 1871 die Festspiele besucht hatte. Für manche Oberammergauer ein denkwürdiges Ereignis…

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Ein „Locomobile“ half beim lebensgefährlichen Transport des Denkmals, den Ettaler Berg zu bezwingen.

Nach seinem Besuch empfing er auf dem nahegelegenen Schloss Linderhof die Hauptdarsteller. Eine herausragende Ehre, die allerdings für den Judas-Darsteller Lechner zum Fiasko geriet, weil er sich ohne „Bratenrock“, dem einem Gastmahl angemessenen Kleidungsstück, kaum vorzutreten getraute. Doch kaum hatte er seine Scheu überwunden, sah er sich auch schon mit einem höchst erbosten König konfrontiert. Nach dem Empfang erzählte Lechner, wie ihn der Monarch durchdringend angesehen und drohend gefragt habe: „Judas, was hast du gefühlt, als du den Herrn verrietst?“ Und Lechner fügte hinzu: „Noch heute läuft es mir kalt über den Rücken, wenn ich an den damaligen Blick des Königs denke.“ Anschließend bekam jeder der Darsteller zum Andenken einen silbernen Löffel geschenkt, nur Lechner, dem Ludwig aufgrund seiner Festspiel-Rolle höchst ungewogen war, bekam einen aus Blech.

Lüftlmalerei in Partenkirchen. Die Ikonographie ist eindeutig: Das Volk hält seinen „Kini“ in Ehren.

Zur öffentlichen Bekundung seiner königlichen Dankbarkeit aber wollte Ludwig ein weithin sichtbares christliches Denkmal errichten lassen: die Kreuzigungsgruppe. Das Geschehen um die Entstehung und Errichtung der Kreuzigungsgruppe wurde von Anfang an mit einem breiten medialen Interesse verfolgt. Ihr Schöpfer war der berühmte Bildhauer Prof. Johann von Halbig, der 1850 bereits das erste plastische Bildnis Ludwigs erstellt hatte. Der Transport zum Aufstellungsort dauerte Tage, stellte sich als äußerst problematisches, wenn nicht gar lebensgefährliches Unterfangen heraus, das bereits damit begann, dass man die Rückwand der Halbigschen Werkstatt einreißen musste, um die überdimensionalen Kruzifixe ins Freie zu schaffen.

Installation mit Sitzfigur Ludwigs II. aus Aluminium am Café Treffpunkt des Franz-Josef-Strauß-Flughafens, München. Karl Schlamminger, 1992.

Der Ort besaß fortan für den König eine besondere persönliche Bedeutung: Mehrere Jahre lang kam er zum Geburtstag seiner Mutter nach Einbruch der Dämmerung, um nachts allein an dem Denkmal zu beten. Rasch bot diese königliche Tradition neuen Zündstoff für die Legendenbildung rund um den exzentrischen Monarchen. Erst, als sich immer mehr Schaulustige einfanden, blieb Ludwig seiner Kreuzigungsgruppe fern.

„Ludwig II. – Denkmäler eines Märchenkönigs“ widmet sich den Denk- und Erinnerungsmalen für den „Kini“ und den Geschichten, die sich um sie ranken.