Bayerische Geschichte(n), 02/2014: Stadt der Hexen und Heiligen
Liebe Leserin, lieber Leser,
Augsburg kann auf eine beeindruckende Geschichte zurückblicken. Nach Trier ist das ehemals römische Augusta Vindelicorum schließlich die zweitältestenStadt Deutschlands. Und ebenso reich wie seine Historie ist auch Augsburgs Schatz an Sagen und Legenden, die sich um geheimnisvolle Orte, schaurige Begegnungen, aber auch um wundersame Rettungen ranken. Ein solch lebensrettendes Wunder gibt es beispielsweise vom heiligen Simpert zu berichten: Ein Bauernpaar soll während der Arbeit einst ihr Kind am Rande eines Felds schlafen gelegt haben. Als eine Wölfin das Kleine als leichte Beute mit sich fortriss, lief die Mutter zum Grab des heiligen Simpert und betete verzweifelt um Hilfe. Und tatsächlich – die Wölfin kehrte mit dem unversehrten Kind zurück. Seither wird der Heilige als Schutzpatron der Kinder und Jugendlichen verehrt.
In der Basilika St. Ulrich und Afra kann man nicht nur das Grabmal des heiligen Simpert besuchen. Auch die Grabstätten der beiden Bistumsheiligen, die dem prächtigen Sakralbau im Stil des Rokoko seinen Namen verliehen haben, Ulrich und Afra, liegen in der Unterkirche. Die Legende der heiligen Afra zieht einen an diesem Ort besonders in den Bann: Geboren als Prinzessin Zyperns, wurde sie nach dem gewaltsamen Tod ihres Vaters zur Flucht gezwungen. Über Rom soll Afra schließlich nach Augsburg gekommen sein und dort ein Freudenhuas eröffnet haben – ein gutes Auskommen für die Anhängerin und geweihte Dienerin der Liebesgöttin Venus. Als Afra aber den frühchristlichen Bischof Narcissus vor der Verfolgung durch seine römisch-heidnischen Feinde bewahrte, sich sogar von ihm bekehren ließ und ihren neuen Glauben offen verteidigte, wurde sie zum Märtyrertod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.
Ein düsteres Kapitel Augsburger Stadtgeschichte beginnt mit der Erzählung von Dorothea Braun: Im 17. Jahrhundert lebte sie mit ihrer Familie in der Ochsengasse 52, mitten in der Fuggerei, der berühmten, vom gleichnamigen Kaufmannsgeschlecht gegründeten Sozialsiedlung in der Jakobervorstadt. 1625 wurde Dorothea verhaftet und gab unter Folter zu, den Teufel um Hilfe angerufen zu haben. Ihrer Familie drohte durch eine protestantische Cousine der Verlust des Wohnrechts in der Fuggerei, standen die Sozialwohnungen doch nur bedürftigen und vor allem katholischen Augsburger Bürgern zu. Ein letzter Widerruf Dorotheas kam zu spät. Als erste in Augsburg verurteilte Hexe wurde sie enthauptet und anschließend verbrannt. Der katholische Glaube ist übrigens noch heute eine der Bedingungen, die die etwa 150 Bewohner der Fuggerei erfüllen müssen.
Befand die Augsburger Obrigkeit eine Frau der Hexerei für schuldig, dann führte der letzte Gang der Verurteilten am Fischertor vorbei. Hier kennzeichnet heute ein Brunnen, geschmückt mit der grimmigen hölzernen Figur einer Hexe, den Platz, an dem den angeblichen Teufelsbündnerinnen ein letzter Schluck Wasser gewährt worden sein soll. Im Gegensatz zu diesen armen Frauen muss es wohl eine wahrhaftige Hexe gewesen sein, die Augsburg der Sage nach einst vor Attilas anstürmenden Hunnen bewahrte: Im Turm des heute nicht mehr erhaltenen Barfüßertors eingesperrt, soll ein altes, böses Weib angesichts der drohenden Belagerung ihre Freiheit gegen die Abwehr der Hunnen getauscht haben. Nackt, mit wild wehendem Haar und drohende Flüche ausstoßend flog sie auf einem Rappen über die Feinde und trieb diese so wahrhaftig zur Flucht.
Im Bayern-Mini „Mystisches Augsburg“ präsentiert sich die alte Stadt der Römer, der Kaiser und der Fugger von ihrer geheimnisvollen Seite. Autor Christopher Weidner hat die schönsten „Spaziergänge zu sagenhaften und wundervollen Orten“ abgesteckt, begleitet von Erzählungen zu Geistern und Göttern, Hexen und Heiligen.
- ISBN: 978-3-86222-124-0